Arequipa: die weiße Stadt

Arequipa: die weiße Stadt

In Arequipa befanden wir uns nach unseren Flachlandabenteuern in Lima und Huacachina wieder auf über 2.300 Metern ü. NN. Außerdem ist diese zweitgrößte Stadt Perus umgeben von aktiven Vulkanen. Einen davon sehen wir sogar ein wenig rauchen! Laut unseres Reiseführers sind diese Vulkane für bis zu zwölf Erdbebenstöße pro Tag verantwortlich. Wir haben davon zwar nichts mitbekommen, aber das muss ja nichts heißen.

Die Nähe zu diesen Vulkanen ist auch indirekt für den Beinamen Arequipas verantwortlich: Viele Gebäude, gerade die in der von der UNESCO geschützten Altstadt, sind aus weißem Vulkangestein erbaut, sogenanntem Sillar. Böse Zungen behaupten allerdings, dass „die weiße Stadt“ auch deshalb so heißt, weil sie früher fast ausschließlich weißen Einwohnern vorbehalten war. Farbige Bedienstete mussten außerhalb unterkommen und durften nur zum Arbeiten in das Stadtgebiet hinein.

Dies hat sich inzwischen glücklicherweise geändert, aber stolz sind die Arequiper nach wie vor – auf ihre Stadt, auf sich, auf ihre Geschichte. Es hat sogar Bestrebungen gegeben, die Region vom Rest Perus loszulösen, die aber nicht erfolgreich waren.

Zumindest der Stolz auf ihre Stadt ist sicher nicht unbegründet. Tatsächlich ist Arequipa eine schöne Stadt, die mit ihren verwinkelten Gassen und den vielen Torbögen ein bisschen an das alte Spanien erinnert. Auch wenn ihr durch den üblichen, starken Verkehr und einige Betonbausünden übel zugesetzt wurde: In den vergangenen Jahren scheint es starke Bemühungen gegeben zu haben, zumindest den Altstadtbereich wieder herzurichten. So wurde das historische Zentrum für den Autoverkehr gesperrt und es sind dort fast keine Straßenverkäufer zu sehen – ein Umstand, den wir allerdings eher bedauern. Und nach einem Tag in Arequipa fiel uns dann irgendwann auf, dass es keine Straßenhunde gibt, die sonst ja allgegenwärtig sind.

Marktgetümmel

Da wir den Nachtbus nach Arequipa genommen hatten, führte unser allererster Gang nach dem Einchecken ins Hostel zum Mercado San Camillo für ein Frühstück. Bisher waren Jan und ich überall begeistert von den lokalen Märkten, auf denen von Haushaltswaren über Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch und Gebäck bis hin zu preiswerten, frischen und vor allem leckeren Gerichten alles angeboten wird. Der zentrale Markt von Arequipa bildete dabei keine Ausnahme.

Ein paar kleine Besonderheiten boten sich uns auch hier wieder: So kunstvoll wie an diesen Fruchtsaftständen haben wir noch nirgends das Obst gestapelt gesehen. Und unsere Freude, endlich wieder mehr als nur den weichen, geschmackslosen Weichkäse zu sehen, könnt ihr euch nicht vorstellen. Die Käsekultur Arequipas geht sogar so weit, dass man hier Käseeis kaufen kann. Diese lokale Spezialität schmeckt allerdings mehr nach kaltem Milchreis und ist daher eher nichts für Jan.

Auf dem Mercado stolperten wir auch endlich über einen Stand, der Coca-Blätter anbot, mit denen wir uns natürlich gleich eindeckten.

Kleiner Exkurs: Coca

Bevor nun besorgte oder entrüstete Kommentare auf uns einprasseln noch einmal der Hinweis, dass Coca-Blätter nicht mit Kokain gleichzusetzen sind. Tatsächlich braucht es 600 kg Coca-Blätter, um ein einziges Kilogramm reinen Kokains herzustellen.

In ihrem natürlichen, lediglich getrockneten Zustand werden Coca-Blätter bei den indigenen Andenvölkern schon seit Jahrhunderten konsumiert, dienen als zeremonielle Gaben und geben dem Konsumenten Energie. Der gemeine Tourist nimmt Coca meist als erstaunlich schmackhaften Tee zu sich oder kaut ihn so, wie er ist (was scheußlich schmecken soll), um die Auswirkungen der Höhenkrankheit zu mildern.

In Peru und Bolivien sind Anbau und Verkauf der Coca-Blätter übrigens legal, auch wenn die Herstellung von Kokain oder den Zwischenprodukten natürlich weiterhin verboten ist. Da es aber weitaus einträchtiger ist, Coca anzubauen und die Cocapaste zu verkaufen, als beispielsweise Kaffee oder Kakao anzubauen, sind auch alle Programme gescheitert, die Landbevölkerung dazu zu ermuntern, ihre Produktion umzustellen. So bleiben Peru und Bolivien Hauptcocalieferanten für die weltweite Kokainmafia.

Für uns heißt das, dass wir jetzt noch knapp anderthalb Monate Coca-Tee genießen dürfen, bevor wir dann Bolivien verlassen. Aber in Neuseeland geht es ja auch nicht so hoch hinaus und da hilft dann vielleicht schon normaler grüner Tee.

Kamelartiges

Aber zurück zu Arequipa: Nachdem den körperlichen Gelüsten genüge getan war, taten wir das, was sich zur Erkundung einer Stadt immer anbietet und suchten uns wieder eine Free Walking Tour. Diese werden ja mittlerweile in jeder größeren Stadt angeboten. Wir haben bisher unterschiedliche Erfahrungen gemacht, waren im Großen und Ganzen aber ganz zufrieden. Nicht so in Arequipa, weshalb wir uns im Mundo Alpaca lieber abseilten und den Rest der Stadt auf eigene Faust besichtigten. Beim Mundo Alpaca handelt es sich übrigens um ein kleines „Museum zum Anfassen“ rund um Lamas, ihre nächsten Verwandten und all dem, was man so aus ihrer Wolle herstellen kann. Hier kann man sehen, wie die Wolle sortiert, zu Fäden verarbeitet und schließlich verwebt wird. Außerdem gibt es eine kleine Herde von Lamas, Alpakas, Vicuñas und Guanakos, weshalb dieser Ort ohnehin auf meiner Must-See-Liste gelandet war.

Kloster Santa Catalina

Eine weitere Besonderheit Arequipas – und der Hauptgrund, warum diese Stadt zu einem wahren Touristenmagneten geworden ist – ist das Kloster Santa Catalina, welches sich gar nicht so weit von unserer Unterkunft befand. Wobei „Kloster“ diesem Komplex eigentlich gar nicht gerecht wird; es ist vielmehr eine Stadt inmitten der Stadt. Komplett von einer hohen Mauer umgeben war das Kloster bis 1970 für Außenstehende nicht zugänglich. Zeitweise lebten hier 150 Nonnen und 400 Dienstmädchen auf über 20.000 m².

Das Kloster war tatsächlich wie eine kleine Stadt angelegt, komplett mit eigenen Straßen, Häusern, Werkstätten, Gärten, einer Wasserversorgung und einem Friedhof. Da Frauen, die in das Kloster aufgenommen werden wollten, eine recht große „Mitgift“ mitbringen mussten, stammten sie zumeist aus reichen Familien, die auch nach dem Eintritt ins Kloster weiter für den Unterhalt der Nonne aufkamen. So scheint das Kloster nie wirklich Not gelitten zu haben und konnte über spezielle Drehtüren und durch ihre Angestellten Handel mit der Stadt treiben. Offenbar war das Gebäck der Nonnen besonders hoch geachtet. Und wirklich fand sich in fast jeder Unterkunft – ob von einer oder von drei Frauen bewohnt – ein Backofen.

Heute leben noch 17 Nonnen in einem abgetrennten Bereich des Klosters, der nicht zugänglich ist. Der Rest lässt sich wunderbar auf eigene Faust erkunden. Fast überall darf man seinen Kopf hineinstecken und weil das Kloster so groß und labyrinthartig angelegt ist, verliert man sich gerne in seinen Gassen, Zimmern, Höfen. Wir haben mehrere Stunden hier verbracht und weil wir uns dafür entschieden hatten, erst nachmittags herzukommen, war das Kloster auch nicht mehr so überlaufen.

Früher waren alle Wände und Häuser wohl weiß gestrichen. Heute aber erstrahlen die verschiedenen Bereiche in leuchtendem Blau, Orange und Rot. Wenn dann noch die Sonne scheint und die – von uns in Ermangelung eines besseren Wortes „Andenspatzen“ und „Andentäubchen“ getauften – Vögel umherfliegen, dann hat dieser Ort etwas Magisches.

El Condor Pasa

Auch wenn die Innenstadt Arequipas zu ausgedehnten Spaziergängen einlädt und man hier sicher tagelang die Seele baumeln lassen könnte: Es gibt in der „Nähe“ (wie immer sind Entfernungen in Südamerika relativ) noch eine Attraktion, den Colca Canyon. Dieser Canyon ist sogar noch gewaltiger als der Grand Canyon in den USA. Der Höhenunterschied zwischen höchstem Gipfel am Colca Canyon und seinem tiefsten Punkt beträgt ganze 4.176 Meter! Als wäre das nicht genug, kann man hier auch noch mit einigermaßen großer Wahrscheinlichkeit Anden-Kondore beobachten. Aufgrund des Rückgangs der Gletscher und der damit einhergehenden Verknappung von Lebensraum und Nahrungsquellen für die Kondore ist dies leider zu einer echten Seltenheit geworden.

Immerhin 150 Kilometer trennen den Colca Canyon von Arequipa und während ein Trip zum Cruz del Cóndor auch als Tagesausflug möglich ist, haben wir uns zusammen mit Sebastian, Cordula und Carina für einen Zweitagestreck entschieden, um ein bisschen mehr vom Canyon zu haben.

Im Nachhinein hat sich das ein bisschen als Trugschluss entpuppt. Der Treck besteht im Wesentlichen aus einem Rundgang um ein Tal herum, weshalb sich der Ausblick nicht groß ändert. Zu allem Überfluss ging der erste Tag ordentlich auf die Knie, so dass vor allem Sebastian wenig Spaß an der Wanderung hatte. Denn zunächst mussten wir mehrere hundert Meter ins Tal hinabsteigen, nur um dort ein sehr kümmerliches Mittagessen zu bekommen. Wenigstens verloren wir nachmittags die etwas störenden Dörfer entlang des Canyons aus den Augen. Die waren nämlich eher unschön.

Den zweiten Tag kletterten wir noch vor dem Morgengrauen (und vor dem Frühstück!) nur mit Stirnlampen bewaffnet die 1,2 Höhenkilometer innerhalb von vier Stunden wieder nach oben. Irgendwie sah für uns alle Spaß ein wenig anders aus. Aber wenigstens hatten wir auf der Hinfahrt tatsächlich Kondore gesehen und das war ja der Hauptgrund für unseren Trip zum Colca Canyon.

Auch das musste irgendwann passieren

Direkt nach unserer Rückkehr vom Colca Canyon wollten wir zu sechst (Lea hatte in der Zwischenzeit auf uns in Arequipa gewartet) den Nachtbus Richtung Cusco nehmen. Die Nachtbusse bieten sich in Südamerika aufgrund der langen Strecken an, da man damit weniger wertvolle Zeit auf der Straße verbringt und eine Hostelübernachtung spart. Und der Sicherheitsstandard ließ bisher nichts zu wünschen übrig. In Arequipa ging das sogar so weit, dass wir am Busterminal darüber informiert wurden, dass die Strecke nach Cusco in dieser Nacht gesperrt war. Der Grund: Heftige und für diese Jahreszeit eher untypische Schneefälle.

Wie gut, dass wir in dieser ersten echten „Reisekrise“ nicht allein waren. So mussten wir wohl oder übel zurück in die Stadt fahren und ein bisschen Hostelhopping betreiben, bis wir eines fanden, das uns zusagte, kurzfristig noch Platz hatte und erschwinglich war. Nachts und im Dunkeln ist das wenig spaßig, aber zu sechst ist es definitiv leichter zu ertragen als zu zweit.

Der Ersatzbus früh am nächsten Morgen fuhr dann immerhin, auch wenn er wohl einen großen Umweg machen musste und wir etwa 14 Stunden unterwegs waren. 14 Stunden, in denen wir nicht viel tun konnten als die Landschaft zu bewundern, ein bisschen am Blog arbeiten und ganz viel lesen. Was freuen wir uns nun auf Cusco!

 

Hinweis: Diesmal haben wir auch ein paar “fremde” Bilder genutzt, weil die so schön waren: Das Copyright vom “Lama-Popo-Lama”-Foto, von Jans Rückenansicht im Colca Canyon und von der senkrechten Landschaftsaufnahme direkt danach gehört Carina Esser.

7 Comments

  1. Das sieht alles so schön nach wilder Natur aus und bald folgt dann auch Neuseeland…ich vermisse es jetzt schon und eure Fotos werden das Neuseelandfernweh dann sicher nochmal so richtig anstacheln…
    Aber bis dahin genießt noch das farbenfrohe Peru mit seinen Koka-Blättern. 😉
    (Ich erinnere mich daran, dass mein Geolehrer den Tee immer importiert hatte, weil er den auch so lecker fand…was so alles aus der Schulzeit im Gedächtnis hängen bleibt…?)

    1. Oh ja, auf Neuseeland freuen wir beide uns auch schon ganz fürchterlich! Sollten wir Dein Fernweh wecken, ist das nur ein Grund mehr bald wieder auf die nächste Reise zu starten.

      Den Namen des Geolehrers musst Du mir nochmal verraten, damit ich ihn fragen kann, wie er die Coca-Blätter nach Deutschland bekommt. Eigentlich sind die in Deutschland nämlich nicht legal, da sie der Grundstoff für die Herstellung von Kokain sind. Auch Coca-Bonbons und ähnliches sind nicht erlaubt.

      Jan
  2. Arequipa ist wirklich eine interessante Stadt.Das Kloster erinnert mich an ein Stift für vornehme Damen bei uns, aber so schön farbig sind die natürlich nicht. Das ihr im Colca-Canyon Kondore beobachten konntet, mit dieser faszinierenden Flügelspannweite, ist WOW ! Nach der Panne mit der “Zwangsübernachtung” in Arequipa wünsche ich euch jetzt ganz viel Glück für die Weiterreise.

    Oma
    1. Oh ja, Arequipa war wirklich toll. Das Thema mit der gesperrten Straße, na ja, sowas musste irgendwann auch mal passieren und besser so, als dass wir mit dem Bus in den Abgrund rutschen.

      Die Condore sind wirklich faszinierend. Erst sehen sie so klein aus, doch wenn sie dann ganz dicht über den Köpfen entlanggleiten, wird einem ihre tatsächliche Größe erst so richtig bewusst. Es sind tolle Tiere.

      Jan
  3. Pingback: Cusco: die Perle Perus | Travel-Dvootes.de

  4. Ich denke, ich würde auch all diese tollen Märkte abklappern und käme aus dem Probieren gar nicht mehr heraus.?
    Habt Ihr die tollen Pullover und den schicken Poncho, den Maria auf einigen Fotos trug, dort gekauft? Sieht jedenfalls alles ganz kuschelig aus, auch wenn wir hier derzeit bei dem Anblick noch mehr schwitzen…..
    Das “bunte” Kloster hat es mir angetan. So etwas sieht man hier nicht. Da haben wir entweder relativ weiße Wände und relativ viele Ornamente, aber alles doch eher nüchtern gehalten. So viel Farbenfreude gibt es da eben nicht. Würde hier allerdings auch nicht so herrlich leuchten.
    Tja, und dann der Kondor! Absolut beeindruckend. Spannweite bis zu drei Metern, das kann ich mir hier kaum vorstellen. Da kommt man aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.

    Kirsten55
    1. Hallo Mama,

      die Pullis sind aus Peru, stimmt, allerdings haben wir die schon in Huaraz gekauft. Da war es nämlich alles ein wenig günstiger. Und der Poncho ist ein Spontankauf in Ecuador gewesen. Auf den normalen, lokalen Märkten gibt es meist nicht so viele Textilien, zumindest nicht dieser Art. Die sind ja eher für Touristen.

      Das Kloster war früher übrigens auch eher nüchtern weiß. Erst nachdem es für die Außenwelt geöffnet wurde, bekam es den bunten Anstrich, der heute so viel von seinem Charme ausmacht.

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