Die Grampians: Flora, Fauna und Felsmalereien

Die Grampians: Flora, Fauna und Felsmalereien

Vor einem Monat noch wäre uns bei dem Stichwort „australische Landschaft“ eigentlich nur goldene Steppe und vor allem viel roter Sand eingefallen. Ich bin mir sicher, das geht den meisten so, die noch nie in Australien waren.

Gut zwei Wochen nach unserer Ankunft in Melbourne sind wir aber bereits durch Regenwald gewandert und haben vor allem grüne und blühende Landstriche gesehen. Auch nordwestlich des offiziellen Endes der Great Ocean Road geht es noch deutlich grüner zu als erwartet, wenn auch zwischendurch immer wieder das gold-gelbe Steppengras die Szenerie bestimmt.

Hier liegen die Grampians, die zum größten Teil als Nationalpark geschützt sind. Die Landschaft ist wunderbar abwechslungsreich und bot uns Berge, Steinformationen, ausladenden Wald und einige ehemalige Vulkankrater. Wem solche Ausblicke nicht genug sind, der kann sich in den Grampians auch auf große Känguru-Populationen freuen, die einem fast unweigerlich begegnen. Tatsächlich sprangen unserem Laienauge nach mindestens zwei verschiedene Spezies durch Wälder und Dörfer, über Sport- und Parkplätze. Es war also Vorsicht geboten beim Autofahren!

Glückliche Stopps

Bis dahin waren es aber noch einige Kilometer. Ein großer Unterschied zu Neuseeland sind wirklich die Entfernungen. Wir waren zwar gewarnt worden, mussten uns aber auch erst daran gewöhnen, dass nicht hinter jeder Kurve neue Landschaft oder ein sehenswerter Ausblick wartet. Auch unsere Camping-Apps (wir waren mittlerweile mit zwei unterwegs) lieferte nur spärliche Tipps. Wir waren also die meiste Zeit darauf angewiesen, Ausschau zu halten und im Zweifelsfall schnell auf die Bremse zu treten.

So kamen wir auch zum Mount Sturgeon Outlook, wo wir das erste Mal Kängurus in größerer Anzahl sahen – wenn auch noch aus der Ferne.

Woanders erspähte Jan einen See, in dem eine ganze Zahl toter Bäume stand. Ein befremdlicher und doch friedvoller Anblick. Ein Friede, der allerdings von der Hundertschaft weißer Papageien oder Sittiche gestört wurde. Diese saßen im vor dem See liegenden Wald und veranstalteten einen Mordslärm. Trotzdem – so ein „Lärm“ ist irgendwie schön und beruhigend. Ganz anders als der von Menschen verursachte.

Die besten Pies

Unser Weg in die Grampians führte uns auch an Dunkeld vorbei, wo unsere Camping-App endlich einmal wieder hilfreich war. Wir folgten einem „geheimen“ Tipp zur Old Bakery, also der „Alten Bäckerei“. Die Pies dort sind tatsächlich uneingeschränkt empfehlenswert! So gute hatten wir in Australien bisher noch nicht gegessen. Und selbst in Neuseeland, wo wir dieses gefüllte, heiße und herzhafte Gericht lieben gelernt hatten, gab es kaum bessere.

Brambuk

In den Grampians dann gibt es vor allem eine Ortschaft, die jeder ansteuert: Halls Gap. Von hier erreicht man relativ schnell die wesentlichen Aussichtspunkte im Nationalpark. Noch besser ist aber, dass die Einwohner von Halls Gap keine Rasenmäher brauchen. Ihre Vorgärten werden von einer ganzen Horde Kängurus gestutzt.

Und wirklich haben wir auf dem lokalen Sportplatz gleich mehrere vorbeihüpfen sehen – schnurstracks Richtung Straße und netterweise direkt vor dem Warnschild, welches vor Kängurus warnt. Wer diese Tiere noch nicht in freier Wildbahn an sich hat vorbeiziehen sehen, der wird nicht glauben, wie schnell sie sein können. In jedem Fall zu schnell für die Kamera, so dass uns dieser Anblick „nur“ im Kopf und im Herzen erhalten bleibt.

Die einzige andere Attraktion von Halls Gap ist Brambuk, das Aborigine Kulturzentrum. Es wird – und das ist eher ungewöhnlich – von gleich fünf Aborigine Gemeinden betrieben. Als wir dort waren, fanden leider keine Führungen oder Veranstaltungen mehr statt. So blieb uns nur, auf eigene Faust durch das Gebäude zu schlendern.

So richtig aufnahmefähig war ich an diesem Tag nicht mehr und ich konnte mir nur einen Bruchteil der präsentierten Informationen durchlesen. Was uns aber geblieben ist, ist ein Eindruck von sehr viel Bitterkeit und Hilflosigkeit gegenüber dem Unrecht, das den Aborigines von den europäischen Siedlern angetan wurde.

Dunkle Kapitel

Wir lasen beispielsweise von den „gestohlenen Generationen“: Als sich 1901 eine Föderation aus den einzelnen australischen Kolonien gründete, wurde auch eine Politik des „weißen Australiens“ verabschiedet. Vordergründig sollte diese Politik dafür sorgen, dass keine Farbigen in das Land immigrieren würden.

Ganz nebenbei wurde so aber auch eine schon etablierte Praxis abgesegnet und weiter ausgedehnt. Mit dem Ziel, die indigene Bevölkerung nach und nach aussterben oder assimilieren zu lassen, wurden bis in die 1970er Jahre hinein etwa 100.000 indigene Kinder aus ihren Familien gerissen. Sie sollten europäisiert werden und wurden entweder von weißen Familien adoptiert oder wuchsen in Kinderheimen und anderen Einrichtungen auf. Physischer und psychischer Missbrauch waren an der Tagesordnung, einmal ganz zu schweigen von dem, was den Menschen durch diesen Kindesraub angetan wurde. Die damals entführten Kinder sind heute als „gestohlene Generationen“ bekannt und viele wissen bis heute nicht, wo sie eigentlich herkommen.

Erst 2008(!) entschuldigte sich der damalige Premierminister bei diesen gestohlenen Generationen. Für viele Indigene konnte erst damit ein nationaler Heilungsprozess beginnen.

Vielleicht ist damit, dass diese Entschuldigung erst 10 Jahre alt ist, zu erklären, dass wir zuvor nichts von diesem dunklen Kapitel in der australischen Geschichte mitbekommen hatten. Es scheint uns generell so, als müssten die Aborigines selbst dafür Sorge tragen, dass ihre Stimmen gehört werden. Eine Unterstützung von Seiten der Regierung und anderer nicht-indigener Organisationen war für uns bisher jedenfalls nicht wahrnehmbar.

Und das war nur ein Beispiel von vielen für die Ungleichbehandlung und die fortwährende Benachteiligung der Aborigines in ihrem eigenen Heimatland! Noch heute liegen Lebenserwartung, durchschnittliches Einkommen und politische Repräsentation weit unter der von weißen Australiern. Umgekehrt sind etwa Kriminalitätsrate und Schulabbrecherquote deutlich höher. Und wir reden hier nicht über minimale Unterschiede, sondern über solche, die man eigentlich zwischen Erst- und Drittweltländern erwarten würde. Nicht innerhalb eines einzigen Landes.

Wasserfälle und Ausgucke

Mit ziemlich viel Stoff zum Nachdenken begaben wir uns wieder ins Auto. Eigentlich wollten wir ja noch etwas vom Nationalpark sehen, auch wenn sich das Wetter – wie passend – zusehends verdüsterte.

So steuerten wir die Silverband Falls an – einen Wasserfall, der wirklich nur als schmales silbernes Band zu sehen war, das sofort im Boden versickerte. Nicht einmal im Flussbett stand mehr als eine Fingerbreit Wasser.

Da machten die MacKenzie Falls schon deutlich mehr her! Gut, inzwischen regnete es auch ziemlich stark, der Wasserfall hatte also noch mehr Wasser zum Fallenlassen. Der Niederschlag war sogar so stark, dass wir kurz überlegten, den steilen Abstieg zu den MacKenzie Falls doch nicht zu wagen. Immerhin wurden wir auf fast einem Dutzend Schilder vor diesem gewarnt. So schlimm war es aber am Ende gar nicht. Der Wasserfall wäre auch noch mehr Stufen wert gewesen – die wir schließlich alle wieder hochlaufen mussten.

Neben den MacKenzie Falls sind die Balconies, also die „Balkone“, sicherlich das Highlight in den Grampians, wenn es um kurze und beeindruckende Stopps geht. Eine der vielen längeren Wanderungen im Nationalpark waren bei dem Wetter und bei unserem Zeitplan leider nicht drin. Aber der Ausblick von diesen natürlich geformten Steinbalkonen ließ erahnen, welch ein Wanderparadies sich in dieser bewaldeten Weite verbirgt.

Nachtlager

Auf dem Rückweg aus den Grampians wollten wir uns noch zwei Beispiele für etwas anderes anschauen, für das diese Gegend berühmt ist: Uralte Felsmalereien der Aborigines. Wir suchten uns also einen Rastplatz auf halbem Weg dorthin und waren schwer beeindruckt von dem, was auf der Karte noch wie eine einfache Autobahnraststätte aussah. Gut, mehr als ein Plumpsklo gab es nicht, aber der Ort so direkt an einem Fluss und unter großen Eukalyptusbäumen stehend – das fühlte sich nicht nach Autobahn an.

Am nächsten Morgen ging es trotzdem früh weiter. Wir hatten heute schließlich noch etwas vor!

Nachdem wir zwei Monate in Neuseeland und davor vier Monate in Südamerika verbracht hatten, müssen wir uns immer wieder daran erinnern, dass wir uns hier in deinem Land befinden, dessen Ureinwohner bereits seit 60.000 Jahren hier leben. Australien ist sogar das Land mit der längsten, kontinuierlichen kulturellen Geschichte.

Wir lachen immer wieder gerne über die „historischen“ Gebäude, die uns hier begegnen. 180 Jahre sind halt einfach nicht „alt“ für Europäer. Aber die Kultur der Aborigines, die stellt uns locker in den Schatten – mindestens wenn es um ihr Alter geht.

Felsmalereien

Die Felsmalereien in den Grampians – die von den Aborigines übrigens Gariwerd genannt werden – sind etwa 20.000 Jahre alt. Eine für uns unvorstellbare Zeitspanne.

Wir wollten uns heute die Felsmalereien am Billimina Shelter und am Manja Shelter anschauen. Obwohl diese relativ nahe beieinander liegen, sind sie doch sehr unterschiedlich. Die genauen Bedeutungen oder der Zweck der Malereien sind nicht immer bekannt, auch wenn einzelne Symbole „übersetzt“ werden können. Auch, wie lange die beiden Orte bewohnt wurden ist nicht gesichert. Vielleicht lagerten hier Jäger, während sie Nahrung suchten. Vielleicht blieb auch die ganze Familie und das für mehrere Monate.

Am Billimina Shelter finden sich menschliche Figuren, dominiert von hunderten kleiner, senkrechter Striche. Ob letztere dazu dienten, Zeit zu messen oder Besucher der Unterkunft, ist unklar.

Als wir nach der Besichtigung zum Parkplatz zurückkehrten, erwartete uns noch eine kleine Überraschung. Eine Kängurumutter hatte sich zusammen mit ihrem Jungen den Platz direkt vor unserem Campervan zum Grasen ausgesucht! Während das Jungtier ob unserer Anwesenheit immer wieder nervös zur Mama hinüberschielte, machte sich diese so gar nichts aus uns. Also hielt auch der Nachwuchs still und ließ die Fotosession einigermaßen geduldig über sich ergehen.

Am Manja Shelter finden sich nur wenige der senkrechten Striche. Dafür gibt es hier wiederum Handabdrücke zu sehen, die mich besonders beeindruckt haben. Vor 20.000 Jahren haben hier Menschen ihre Hände gegen den Felsen gedrückt und ein Gemisch aus rotem Ocker (auch Rötel oder Roteisenstein genannt) und Wasser, Eigelb oder Tierfett darauf gepustet. Diese Menschen sind seit Jahrzehnten tot, aber ihre Hände können wir heute noch sehen. Was für ein Vermächtnis!

6 Comments

  1. Da habt ihr ja schon eine Menge gesehen und erfahren. Diese uralten Felsmalerein, da bekommt man wirklich eine Gänsehaut bei der Vorstellung, wie alt sie sind. Als greife ein Mensch buchstäblich aus der Vergangenheit in unsere Zeit.
    Es stimmt, es gibt wenig Material über die Zeit der ” gestohlenen Generation”, wenig dokumentarisches Material. Die Praxis reichte bis in die siebziger Jahre, ist damit also nicht einmal so lange her. Betroffen waren sog. “Mischlingskinder”, die man “europäisieren” wollte. Einer der wenigen hier bekannten Filme, “The long walk home” (original Titel “Rabbit Proof Fence”)zeigt diese Geschichte, leider jedoch nicht in dokumentarischer Form . Erst 2008 hat sich Rudd bei den Aborigines entschuldigt.

    Kirsten55
    1. Wir gewinnen hier den gleichen Eindruck bezüglich des Aufeinandertreffens von Europäern und Aborigines. Und warum hätten die Siedler auch diesen Menschenraub dokumentieren sollen?
      Umso wichtiger, dass man nun ganz langsam anfängt, sich damit auseinanderzusetzen, wenn auch immer auf Initiative der indigenen Bevölkerung.

  2. Oh ich habe erst jetzt die tollen Fotos von Kängurus gesehen. Das sie so dicht herankommen und bleiben, das hätte ich nicht gedacht. Diese Gesichter, irgendwie sehen sie für mich immer aus, als wollten sie fragen “was will die denn hier”.

    Kirsten55
    1. Nun, abgesehen von Autos haben die ausgewachsenen Kängurus hier ja keine richtigen Feinde. Es ist wahrscheinlich abhängig davon, wo sie leben und wie viel Menschenkontakt sie schon hatten. Bei der Mutter mit ihrem Jungtier waren wir selbst erstaunt, wie nah sie uns heranließ. Allerdings war das Junge auch schon groß und sicher fünfmal so schnell wie wir. Sie achtete aber immer darauf, dass sie zwischen uns um dem “Kleinen” blieb, während sie friedlich vor sich hingraste.
      Das andere Känguru, das uns plötzlich aus dem Busch heraus anschaute, das war weniger entspannt. Wobei es auch eine Minute brauchte, um sich zu entscheiden, was es nun tun sollte. Es hat dann ganz langsam den Rückzug angetreten.

  3. Wow, das sind tolle Bilder. Da möchte man gleich nochmal hinfahren. Die Felsmalereien hatte ich gar nicht gesehen…das ist schon beeindruckend. Überhaupt ist das Alter dieser Kultur unglaublich und damit eigentlich ihre beinahe Auslöschung umso schlimmer. Ich habe mich immer richtig down gefühlt, nachdem ich etwas über sie erfahren habe…

    1. Danke für die Blumen.

      Die Felszeichnungen liegen etwas abseits der befestigten Straßen und sind wirklich nur mit einem eigenen Auto zu erreichen. Ich glaube nicht, dass irgendeine Tour die mit im Programm hat.

      Jan

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