Wer wissen möchte, wie wir hierher gekommen sind und was wir vorher auf der Great Ocean Road erlebt haben, dem sei Teil 1 ans Herz gelegt.
An der Shipwreck Coast
Das Cape Otway trennt die Great Ocean Road in den Teil mit den guten Surfstränden und die Ship Wreck Coast. Dieser Küstenstreifen Australiens heißt nicht umsonst so. Im 19. Und 20. Jahrhundert verunglückten hier nicht wenige Schiffe. Die Wracks von vielen liegen noch unter Wasser. Von anderen ist gerade einmal ein Anker übrig geblieben.
Die See an der Südwestküste Australiens war und ist tückisch. Dank moderner Navigationsmitteln ist es heutzutage kein Problem, dieses Stück zu umfahren oder zielsicher den gewünschten Hafen anzusteuern. Früher sah das noch anders aus. Insbesondere bei der langen Überfahrt von Europa nach Australien hatten kleine Fehler in der Positionsbestimmung auch mal verheerende Folgen. Wenn dann nach einem Unwetter oder bei dichtem Nebel die Küste mit ihren steilen, vorgelagerten Felsen und den rauen Wellen plötzlich näher war als gedacht, sah es häufig übel aus.
Von diesen tragischen Geschichten einmal abgesehen, sorgt die raue See für eindrucksvolle Aussichten und eine abenteuerliche Küste.
Wer zählen kann…
Das bekannteste Beispiel dafür sind die sogenannten „Zwölf Apostel“. Hierbei handelt es sich um meerumtoste Türme aus Kalkstein, die ein Stück vor der Küste im Wasser stehen. Das Meer holt sich jedes Jahr etwa zwei Zentimeter Land zurück. Dabei bleiben dann manchmal Stücke härteren Gesteins stehen, die diese „Stapel“ bilden. Irgendwann natürlich sind auch diese Türme dem Untergang geweiht. Geschwächt von den beständig an ihnen arbeitenden Wellen stürzen sie schließlich in sich zusammen – so wie es vor einigen Jahren einem der „Apostel“ geschah. Von diesem sind jetzt nur noch drei große Felsbrocken sichtbar.
Wer nun aber glaubt, dass das hieße, es stünden jetzt noch elf Felstürme, der irrt. Nur sieben oder acht stehen an diesem Ort, wobei zwei davon genau genommen einen ganz anderen Namen tragen und daher keine „Apostel“ sind. Tatsächlich hat es an dieser Stelle wohl nie zwölf solcher Stapel gegeben.
Diese Gesteinsformation heißt auch noch nicht lange „Zwölf Apostel“. Bis in die 1960er Jahre hinein waren sie als die „Sau mit Ferkeln“ bekannt. Dann dachte sich ein cleverer Mensch, der offenbar etwas von Marketing verstand, dass durch einen epischeren Namen mehr Besucher angezogen würden. „Apostel“ schien ihm durchaus geeignet, anfangs noch ohne Mengenangabe. Da Apostel aber gerne im Dutzend auftreten, setzte sich mit der Zeit der jetzige Name durch.
Kreative Steinformationen
Die „Apostel“, egal wie viele es auch sein mögen, sind Kult auf der Great Ocean Road. Es gibt aber auch davor und danach noch mindestens genau so schöne, aber weniger überlaufene Aussichten. Die vier zugänglichsten davon sind Loch Ard Gorge, The Arch, London Bridge und The Grotto.
Am Loch Ard Gorge bildete sich zwischen beziehungsweise hinter den Kalksteintürmen eine kleine Bucht, komplett mit Sandstrand. Auf der landeinwärts gerichteten Seite des Strandes hat die nach und nach wegbrechende Küste außerdem den Blick auf so etwas wie eine Kalktropfsteinhöhle freigelegt.
The Arch, also „der Bogen“, ist ein schönes Beispiel für eine besondere Gesteinsformation. Während das Meer unermüdlich an den Fundamenten der Gesteinstürme nagt, bricht manchmal in der Mitte von so einem Stapel ein Stück zusammen. Sei es, weil es dort eine Höhle gab oder weil das Gestein dort poröser war. Dann kann es sein, dass festeres Gestein darüber nicht mit wegbricht, sondern einen Bogen bildet. Ähnliches haben wir ja auch schon an der neuseeländischen Küste gesehen und Beispiele dafür finden sich auf der ganzen Welt.
Solch ein Bogen hält allerdings auch nicht ewig, was man an der sogenannten London Bridge sehen kann. Bis 1990 hatte diese Landzunge noch zwei Bögen aufzuweisen. Das Ganze erinnerte trotzdem nicht wirklich an die britische London Bridge über die Themse. Vielleicht waren einige englische Aussiedler einfach heimwehkrank. Eines Nachmittags im Jahr 1990 brach der erste Bogen ohne Vorwarnung zusammen, so dass aus der Landzunge eine Insel wurde. Zwei Touristen, die sich zu dem Zeitpunkt dort befanden, blieben glücklicherweise unverletzt, mussten aber per Hubschrauber gerettet werden.
The Grotto schließlich ist passender benannt. Man kann sogar ganz hinunter in diese ausgewaschene Höhle gehen, in die die Wellen bei Flut sicher kräftig hineinbranden. Als wir dort waren, war es etwas ruhiger, aber bestimmt nicht viel weniger ansehnlich.
Regengepeitscht
Wir hielten noch an der Bay of Islands und der „Märtyrerbucht“ (sicher wieder so ein Marketinggag), aber so langsam machte uns das Wetter immer mehr zu schaffen. Sorgte der wolkenverhangene Himmel anfangs noch für dramatische Fotos, so wurde jetzt nach und nach alles nur grau und nass. Wer hatte uns eigentlich vor diesen 37°C gewarnt, die uns in Australien angeblich erwarten würden?
Ganz offiziell endet die Great Ocean Road in Warrnambool (welches man schon allein für seinen Namen lieben muss). Zumindest trägt die Küstenstraße hiernach andere Namen. Es gibt weiter westlich jedoch noch Orte wie Port Fairy und Portland, sowie noch mehr Kalksteinküste und tolle Landschaften. Glauben wir. Denn aufgrund des Wetters entschieden wir uns, die Küste bei Warrnambool zu verlassen und auf etwas direkterem Weg nach Adelaide zu fahren.
Obwohl wir uns fast eine Woche Zeit genommen hatten für die Great Ocean Road konnten wir diese Gegend nicht einmal annähernd vollständig erkunden. Trotzdem haben wir mehr gesehen, mehr erlebt, als es viele tun, die hier nur durchbrausen. Mit nur ein, zwei Tagen Zeit im Gepäck tut man der Great Ocean Road vielleicht ein wenig Unrecht, aber selbst dann würde sich die Fahrt mehr als lohnen.
Wir jedenfalls hatten uns so viel Zeit gelassen, wie es der begrenzte Mietzeitraum unseres Campervans zuließ. Denn noch waren wir ja nicht in Adelaide. Aber nun fingen die Teile Australiens mit den langen, langen Wegstrecken an. Wir waren gespannt.
Ah ja, die zwölf Apostel mit dem komischen Namen …naja, und die London Bridge musste ja schließlich fallen, da gibt es schließlich sogar ein Kinderlied…
Die Märtyrer-Bucht hatte laut meiner Erinnerung den Namen aber sogar gerechtfertigt bekommen.
Und ich war eine, die da nur “durchgebraust” ist, aber man nimmt halt, was man kriegen kann, wenn man nur einen Monat Zeit hat, nicht wahr? 🙂
Zur Märtyrerbucht hatte unser Reiseführer keine weiteren Informationen. Nun muss ich noch mal genauer schauen. ?
Das Schöne an der Great Ocean Road ist ja, dass sie eigentlich für jede Reisegeschwindigkeit geeignet ist. Und mit Deinen drei Tagen dort gehörst Du ja auch schon fast zu den langsam reisenden…
Diese Gesteinsformationen sind ja wirklich faszinierend.
Zur Bay of Martyrs habe ich gefunden, dass dort – so die Legende – viele Aborigines von den Europäern getötet wurden, indem sie über die Klippen gestoßen wurden. Schreckliche Geschichte. Andre erklären allerdings, dass das Verschwinden der Aborigines in dieser Region einfach Abwanderung gewesen sei. Vielleicht stimmt, wie so oft, beides.
Ich wusste doch, dass Du uns bei der Recherche zuvorkommen würdest. 😉
Wobei das mit der “Abwanderung” sicher ein netter Euphemismus ist. “Zwangsumsiedlung” und “Vertreibung” wären sicher richtiger.