Aus Zeitgründen (und weil wir ohne Aufpreis nicht mehr als 3.246 Kilometer fahren durften) ließen wir den Großteil der südlich von Perth gelegenen Gegenden buchstäblich links liegen. Nur Fremantle wollten wir mit unserer Campervan-Relocation ein wenig erkunden. Und dafür blieben uns jetzt immerhin zwei halbe Tage.
Fremantle, das liegt quasi direkt neben Perth. Man könnte es als Vorort bezeichnen und woanders wäre ein solcher Ort schon längst der größeren Stadt einverleibt worden. Aber Fremantle besitzt einen ganz eigenen Charme, eine eigene Geschichte und behält sich seine Unabhängigkeit und Eigenständigkeit.
Geschichte
Benannt ist Fremantle nach dem Kapitän des Schiffes, das hier als erstes anlegte. Dieser Charles Fremantle beanspruchte bei der Gelegenheit gleich einmal ganz Westaustralien für seinen König, George IV von England.
Fremantle dümpelte, genau wie Perth, so ein bisschen vor sich hin, bis man die Arbeitskraft emigrierter Strafgefangener einsetzte. In den 1890er Jahren dann wurde auch der Hafen Fremantles ausgebaut und damit zu einem wichtigen Handelshafen mit Europa. Der geniale Ingenieur CY O’Connor, dem zu Ehren auch eine Statue ganz in der Nähe des Maritimen Museums steht, wurde neben vielen anderen auch mit diesem Projekt beauftragt.
Beim Bau des Hafens wurde allerdings auch der Flussübergang des indigenen Volkes der Wadjuk Noongar zerstört, die O’Connor deshalb mit einem Fluch belegten. Er nahm sich später in Fremantle das Leben und manche sehen darin den Beweis, dass der Fluch effektiv war.
Der Hafen selbst erlebte seine Blütezeit während des Goldrausches Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts. Mit Ende des Goldes fiel allerdings auch Fremantle in ein wirtschaftliches Tal und verschlief in den 1960er und 1970er Jahren die allerorts grassierende Modernisierungswut. Heute kann man dankbar dafür sein, denn so blieben viele der viktorianischen und edwardianischen Gebäude erhalten.
Als 1987 aus welchem Grund auch immer der America’s Cup (einer der wichtigsten Segelwettkämpfe der Welt, wie mir Jan erläuterte) in Fremantle ausgetragen wurde, erwachte die Stadt aus ihrem Dornröschenschlaf und machte sich so richtig fein.
Heute ist Fremantle eine Stadt der Kreativen, der Innovativen und der Kaffee-Liebhaber. Ein paar langhaarige, alternde Hippies sieht man noch auf den Straßen und insgesamt scheint die Stadt sehr gechillt zu sein.
Hinter Gittern
In Ermangelung eines besseren Plans schauten wir uns einfach an, was unser Reiseführer zu Fremantle zu sagen hatten. Darin wurden drei Top-Sehenswürdigkeiten beschrieben: Das alte Gefängnis, das Maritime Museum und die Shipwreck Gallery, die sich mit den Schiffswracks vor der Küste Westaustraliens beschäftigt.
Am meisten interessierte uns davon tatsächlich das Gefängnis. So etwas hatten wir immerhin noch nicht auf unserer Reise gesehen. (Die paar Ruinen des alten Gefängnisses in Robe zählen nicht.) Also machten wir uns als allererstes auf den Weg dorthin.
Im Gefängnis werden verschiedene Touren angeboten, die sich entweder auf die Geschichte der Anfänge, als das Gefängnis von Gefangenen aus Europa gebaut wurde, konzentrieren oder auf die neuere Geschichte bis zu seiner endgültigen Schließung 1991. Eine dritte Tour dreht sich um besonders makabere Erzählungen aus dem Gefängnis und um einige seiner ehemaligen Insassen. Eigentlich wollten wir diese Tour gar nicht machen, aber wie es der Zufall wollte, startete diese nur 5 Minuten nach unserem Eintreffen. Warum also warten?
Wir hatten unseren „Gefängniswärter“ Brett sogar ganz für uns allein. Der gute Brett sah selbst aus wie jemand, den man genau so gut auch auf der anderen Seite der vergitterten Türen sehen könnte. Aber er war ein fantastischer Erzähler mit gerade der richtigen Prise Humor und einem immer noch funktionierenden moralischen Kompass. Nicht ganz selbstverständlich, wenn man sich tagein, tagaus mit wirklich abscheulichen Verbrechen beschäftigt.
Ich möchte hier gar nicht im Einzelnen auf die Abgründe eingehen, die sich uns an diesem Nachmittag auftaten. Es muss genügen, dass wir anschließend keine zweite Tour machten, wie ursprünglich angedacht. Uns war nach frischer Luft und einer Dusche, und das lag keineswegs daran, dass es so stickig im Gefängnis gewesen war!
Wir ließen den Abend also lieber am Strand bei einem Bierchen und einem Mocktail ausklingen und verdauten dabei das gerade Gehörte.
Von Schiffen und Schiffsunglücken
Den Hafen von Fremantle, das Maritime Museum und die Shipwreck Gallery standen also am nächsten Vormittag auf dem Programm. Wie gut, dass die Stadt nicht so riesig ist und nahe an Perth liegt. Sonst hätten wir den Campervan womöglich noch zu spät zurückgegeben.
Das Maritime Museum überzeugte Jan nicht so sehr, wobei er auch auf die U-Boot-Führung verzichtete. Um es mit seinen Worten auszudrücken: Von innen sehen die eh alle gleich aus. Da ich noch nie in einem U-Boot war, muss ich das einfach mal so stehen lassen.
Von der Shipwreck Gallery jedoch waren wir beide sehr angetan. Nicht nur ist sie völlig gratis, sie gehört auch zu den wirklich liebevoll und unterhaltsam angelegten Museen. Der Fokus liegt, wie der Name schon sagt, auf den Schiffswracks vor der australischen Küste. Dabei werden die Geschichte der Schiffe genauso beleuchtet wie die Bergung, (Wieder-)Entdeckung und historische Aufarbeitung. Unbestrittenes Highlight ist dabei ein Teil des Wracks der Batavia, nach der sogar ein ganzer Küstenabschnitt benannt ist!
Ich glaube, man kann in Fremantle noch sehr viel mehr sehen oder einfach nur gemütlich ein paar Tage verbummeln. Die Stadt hat definitiv ein angenehmes, kreatives, ungezwungenes Flair und – nicht zu verachten – einen schönen Stadtstrand. Sollten uns während unseres Aufenthaltes in Perth langweilig werden, dann wissen wir, wohin wir ausweichen.
Freemantle fand ich auch ganz hübsch. Auf einer der Hauptstraßen gibt es einen Buchladen, in dem man ein “Blind Date with a Book” bekommen kann. Das fand ich eine tolle Idee. 🙂
Wie witzig, vor dem gleichen Buchladen bin ich sich stehengeblieben und habe Stuttgart Fotos gemacht von den “Blind Date Büchern”! Die Idee ist wirklich gut und ich war sehr versucht, mir ein oder zwei zu kaufen, nur aus Neugierde. Aber im Rucksack ist ja schon eine halbe Bibliothek…
Wie sieht denn so ein “Blind Date” aus??
Fremantle scheint wirklich recht interessant zu sein, es ist sicher auch schön, einmal an einem Ort zu sein, in dem die Menschen nicht ständig nur herumhetzen.
Bei diesem Blind Date kauft man ein Buch anhand weniger Stichpunkte, die auf der blickdichten Verpackung (in diesem Fall einfaches braunes Packpapier) stehen. Sowas wie “historisch, Mord, Komödie”