Drei Farben Chiang Rai

Drei Farben Chiang Rai

Dafür, dass wir Thailand ursprünglich gar nicht groß bereisen wollten, haben wir inzwischen doch recht viel Zeit hier verbracht – und es sollte noch mehr werden! Jan freute es, denn der kannte dieses Land vorher ja gar nicht. Und ich war auch nicht so furchtbar böse, mit ihm noch einmal all die Orte zu besuchen, an denen ich vor sechseinhalb Jahren war. Mit ihm ist das Reisen halt doch am schönsten.

Trotzdem fand ich es gut, dass wir auch in einer Stadt vorbeischauen wollten, die ich noch nicht kannte. Und selbst wenn wir lediglich eine Nacht in Chiang Rai verbracht haben: Diese zwei halben Tage hatten es in sich! Chiang Rai gehört jetzt zu meinen Lieblingsorten in Thailand.

Eine Stadt voller Farben

Aufgrund der Kürze der Zeit mussten wir unsere Besichtigungstour auf das Wichtigste beschränken, auch wenn es mir natürlich ging wie so häufig: Je länger ich mich mit dem Ort beschäftigte, desto mehr Dinge wollte ich dort eigentlich sehen oder erleben.

pink angeleuchtete Standuhr in Chiang RaiIn Chiang Rai haben die spannendsten Sehenswürdigkeiten alle irgendwas mit Farben zu tun. Noch am Nachmittag nach unserer Ankunft fuhren wir zu den „schwarzen Häusern“. Eigentlich wollten wir anschließend noch in den „blauen Tempel“. Ein ziemlich heftiges Gewitter machte uns da aber einen Strich durch die Rechnung, weshalb wir das am nächsten Tag nachholten, nachdem wir uns den „weißen Tempel“ angeschaut hatten. Oh, und die berühmte riesige Standuhr von Chiang Rai wird abends jeweils zur vollen Stunde in ganz vielen kitschigen Farben angestrahlt.

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass es in Chiang Rai von Künstlern nur so wimmeln muss. Tatsächlich scheint man der Wahrheit damit ziemlich nahe zu kommen. Mindestens zwei der bedeutendsten thailändischen Künstler der Gegenwart nennen beziehungsweise nannten Chiang Rai ihre Heimat. Diese beiden zeichnen denn auch direkt oder indirekt verantwortlich für obengenannte Bauwerke.

Schwarz

Baandam, zu Deutsch „schwarzes Haus“, ist nicht nur ein Haus, sondern ein Komplex von über 40 Gebäuden, die sich innerhalb eines friedlichen Gartens befinden. Manche dieser Häuser sind so groß wie Wohnhäuser, andere so klein wie ein Plumpsklo (und ein oder zwei dienen in ähnlicher Funktion). Viele wurden aus Holz erbaut und hielten uns mit ihren detaillierten, verwobenen, sagenhaften Holzschnitzarbeiten gefangen. Woanders kamen auch Lehm, Glas, Ziegelsteine oder Beton zum Einsatz. Der Baustil ist durchaus unterschiedlich, hat aber immer diesen ungreifbaren südostasiatischen Einschlag.

Allen Gebäuden gemein ist die vorherrschende Farbe Schwarz. Der Eindruck, der sich dadurch ergibt, ist aber keineswegs nur finster. Natürliche Materialien mit den ihnen eigenen Tönungen lassen das Ensemble warm leuchten.

Der thailändische Künstler Thawan Duchanee, der leider 2014 verstorben ist, hat im Laufe von über 50 Jahren dieses „Volkskunstmuseum“ angelegt und mit seinen Kunstwerken und Fundstücken gefüllt. In viele Gebäude kann man hineinschauen oder sogar -gehen. Dort findet man dann Gemälde, Tierknochen, Alligator- und Schlangenhäute, Geweihe, schwere Holzmöbel, Kunstgegenstände aus der ganzen Welt und noch vieles mehr. Der Gesamteindruck hat etwas von „Game of Thrones trifft Erik den Roten“.

Wie um diese Stimmung noch anzukurbeln, wurden wir hier von einem ausgewachsenen Gewitter überrascht. Wir verkrochen uns in der großen Halle, die kurz darauf verrammelt wurde, um die Windböen abzuhalten, von deren Decke es aber ununterbrochen tropfte. Auch wenn es unseren Besuch hier etwas abkürzte, konnte ich dem Wetter kaum böse für diese einzigartige Erfahrung sein.

Weiß

Wat Rong Khun ist auf den ersten Blick die Antithese zu den „schwarzen Häusern“. Diese (fast) ganz in Weiß gehaltene Tempelanlage erstrahlt in beinahe unwirklichem Glanz. Mit ihren Myriaden Details hätten wir uns ewig beschäftigen können.

1997 begann der Künstler Ajan Chalermchai Kositpipat (den wir beim Autogrammgeben entdeckten) mit dem Bau des als „weißer Tempel“ bekannten Komplexes. Es ist sein Lebenswerk. Mit diesem will er den schönsten buddhistischen Tempel der Welt erschaffen und gleichzeitig der modernen thailändischen Kunst zu neuem Leben verhelfen. Dass er sich mit diesem Bauwerk ganz nebenbei auch selbst unsterblich macht, sei ihm gegönnt angesichts solcher Schönheit.

Die Vision Chalermchais ist bis ins letzte Detail durchgeplant. Ein Team aus Architekten, Künstlern und Designern steht ihm zur Seite – auch um die Arbeit nach seinem Tod fortzusetzen. Denn für die Fertigstellung von Wat Rong Khun plant der Künstler mit mindestens 90 Jahren Bauzeit.

Eine Arbeitshalle befindet sich daher auch direkt neben der Tempelanlage. Klar, dass wir da einmal hineinschauen mussten! Wir konnten uns beim Durchwandern der Halle gut herleiten, wie Statuen und Ornamente hergestellt wurden. Und wir sahen, dass vieles schon beinahe an Fließbandarbeit grenzt.

Bemerkenswert am weißen Tempel sind neben der Farbe, die für die Reinheit Buddhas steht, auch die vielen modernen Bezüge. So finden sich im Inneren des Haupttempels – in dem man leider nicht fotografieren darf – in den Wandgemälden allerlei moderne Kunstfiguren wie die Minions, Superman, der Hulk, Yoda, Sailormoon und Pikachu. Auch Michael Jackson, George Bush und Osama Bin Laden sind hier verewigt. (Letztere als Mahnung, dass Krieg und Gewalt nur zur endgültigen Zerstörung der Erde und der Menschheit führen können.)

Den Kontrast hierzu bilden klassische Motive thailändischer Kunst, wie wir sie beispielsweise im Königspalast in Bangkok gesehen hatten. Ein Zusammenspiel, das erstaunlich gut funktioniert, unterhält und immer Neues zu entdecken bietet.

Blau

Vor ein, zwei Jahren noch war der „blaue Tempel“ Wat Rong Suea Ten ein Geheimtipp unter Reisenden. Heute sieht die Welt schon ein bisschen anders aus, aber es sind auch größere Teile des Tempels fertiggestellt, als es noch 2017 der Fall war.

Viele stilistische Elemente des Tempels kamen uns vom weißen Tempel bekannt vor. Kein Wunder –  ist der Künstler und Architekt dahinter, Putha Kabkaew, doch ein Schüler Chalermchais. Allerdings waren die modernen Anleihen nicht ganz so ausgeprägt. Und trotz der blau-goldenen Farbgebung fühlte sich Wat Rong Suea Ten viel mehr an wie ein „normaler“ buddhistischer Tempel.

Doch auch diese Anlage ist noch nicht fertiggestellt. Wer weiß, wie es hier in ein paar Jahren aussehen wird. Ich hätte jedenfalls gute Lust, allen drei Monumenten, also Baandam, Wat Rong Khun und Wat Rong Suea Ten, irgendwann noch einen Besuch abzustatten.

4 Comments

  1. Ich habe ja nicht daran geglaubt, dass die Travel-Dvootes noch einmal aktiv werden…. Schön….. Die weiße Tempel-Anlage ist sehr toll und sehr expressiv, vor allem die Hände….

    Steffi
    1. Da warst du bestimmt nicht die einzige. 😉 Aber wir hatten es immer vor, nur ist uns irgendwie der Alltag dazwischen gekommen. So hat der ganze Corona-Mist wenigstens auch etwas Gutes.

      Ja, der weiße Tempel hat uns auch extrem beeindruckt. Wir konnten uns gar nicht losreißen, weil es so viel zu entdecken gibt – all diese Details!

  2. Die drei “Kunstwerke” hatte ich auch besichtigt. Der weiße Tempel war am beeindruckendsten. Da würde ich auch durchaus nochmal hinschauen. Der blaue Tempel hat mich ein bisschen zu sehr an die modernen indischen Figuren erinnert und das war mir etwas zu…kitschig. Interessanterweise konnte ich mit den schwarzen Hütten selbst sehr wenig anfangen.

    Tinuz
  3. Das ist ja spannend. Ich war mir absolut sicher, dass du die schwarzen Häuser genauso interessant wie wir gefunden hast. So kann man sich irren. 😉 Dafür sind wir uns beim weißen Tempel absolut einig.

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