Loja und eine Grenzquerung: manchmal kommt es anders

Loja und eine Grenzquerung: manchmal kommt es anders

In ein neues Land einzureisen ist immer eine etwas aufregende und gleichzeitig wahnsinnig nervige Sache. Aufregend, weil man (also ich zumindest) sich auf den neuen Stempel im Pass freut oder weil man, obwohl man ja nur ein ganz normaler Tourist ist, trotzdem immer ein wenig Angst hat, aus irgendeinem unerfindlichen Grund aus der Menge gepickt zu werden. Nervig, weil so eine Einreise mit langen Wartezeiten in diversen Schlangen verbunden ist, von denen nicht immer alle sinnvoll erscheinen und weil nach Verlassen des Flughafens garantiert zwei Dutzend Tuk-Tuk-, Taxi- oder Rikschafahrer auf einen einbrüllen. Am Liebsten würden sie einen ja auch noch an ihren Cousin, der ein ganz tolles Hotel hat, und ihre Mutter mit dem tollen Restaurant und ihren Bruder mit den Stadtführungen verkaufen.

So oder ähnlich liefen bisher alle meine Grenzüberquerungen per Flugzeug ab. Natürlich gilt das nur außerhalb der EU. Dort kriegt man ja nicht einmal mehr schöne bunte Stempel, geschweige denn das volle Touristen-Empfangsprogramm.

Diesmal aber sollte alles anders werden. Jan und ich hatten uns nämlich dazu entschlossen, Peru über Land zu erreichen. Die vergangenen zwei Wochen haben wir uns in Ecuador langsam aber stetig Richtung Süden bewegt und zuletzt wunderbar entspannte Tage in Vilcabamba im Tal der Hundertjährigen verbracht.

Von Vilcabamba fahren allerdings keine Busse an die Grenze, man kann hier aber Tickets für die Busse ab Loja kaufen, die einen dann sogar über die Grenze und bis weit nach Peru hinein bringen. Gesagt, getan, wir liefen los zum Busterminal und zelebrierten den erfolgreichen Ticketkauf komplett auf Spanisch mit einer „Spanish high five“.

Wenn sich Pläne ändern

Der Bus, für den wir die Tickets gekauft hatten, sollte um 13:00 aus Loja abfahren. Wir waren nach guter deutscher Marnier entsprechend früh aufgebrochen und standen nun vor einer ausschließlich Spanisch sprechenden Dame des Transportunternehmens, die uns mitteilte, dass es diesen Bus bereits seit geraumer Zeit nicht mehr gibt. Der nächste Bus würde erst um 23:00 abfahren.

Na toll. Wir waren zugegebenermaßen wenig überrascht – irgendwann musste so etwas in Südamerika ja einmal passieren. Die zweite „Spanish high five“ folgt kurz darauf, als wir es nicht nur geschafft hatten, die Tickets umzutauschen, sondern auch unsere großen Rucksäcke in der Gepäckaufbewahrung abzugeben. Es sind halt die kleinen Erfolge, über die man sich manchmal am meisten freut.

Überraschend Schönes

Loja, diese Bezirkshauptstadt, die wir eigentlich links liegen lassen wollten, weil wir nicht viel Gutes darüber gelesen hatten, hielt uns nun also zehn Stunden gefangen. Zehn Stunden, die wir irgendwie rumkriegen wollten, ohne all zu viel davon im Busterminal zu hocken, wo nicht einmal das WiFi funktionierte.

Bereits kurz nach Verlassen des Terminals stellten wir fest, dass das Linksliegenlassen ein Fehler gewesen wäre und dass so ein gewonnener Tag doch auch seinen Charme haben kann. Völlig ohne Eile (wozu stressen, wir hatten ja zehn Stunden!) schlenderten wir los und entdeckten nicht nur das verspielt-romantische Stadttor, welches von Don Quixote bewacht wird. Wir querten immer wieder schön angelegte, gepflegte Plätze, deren angrenzende Häuserfassaden liebevoll restauriert wurden und sich mit schönen Balustraden schmückten.

Am Ende stolperten wir sogar über eine kleine Gasse, die es in Sachen Farbenfreude sogar mit Guatapé aufnehmen könnte. Hier gab es zwar keine zocalos, dafür war aber jedes Haus einer eigenen Madonna aus den verschiedensten Städten aus aller Herren Länder gewidmet. Sogar Deutschland war mit Nuestra Señora de Schönstadt vertreten.

Endlich mal in Ruhe shoppen

Wir nutzten die Zeit außerdem, um die lokalen Markthallen zu durchstöbern, dort Saft und Morocho zu trinken und für Jan eine neue Schirmmütze zu erhandeln, nachdem die aus Deutschland in irgendeinem Hostel liegen geblieben ist. Wir fanden sogar so etwas wie die Gartenabteilung eines Baumarktes, allerdings auf Ecuadorianisch, was bedeutet, dass es ganz viele kleine Stände gibt, die alle das Gleiche verkaufen, aber unterschiedlichen Besitzern gehören.

Dass ich Morocho wahnsinnig gern mag, hatte ich bereits erwähnt. Nicht aber, dass es diesen eigentlich nur morgens zu kaufen gibt. Umso größer meine Freude, als wir auf der Suche nach einem Kaffee für Jan in eine Bäckerei stolperten, wo man sich bereit erklärte, mir auch nachmittags noch einen Morocho aufzuwärmen. Der arme Jan hatte dort jedoch weitaus weniger Glück. Wer kann denn auch ahnen, dass einem in einem Land, in dem so phantastischer Kaffee angebaut wird, Instantkaffee serviert wird? Und als wäre das nicht schlimm genug, musste er sich den auch noch selbst anrühren. Ich glaube, ich habe ihn selten etwas mit so viel Todesverachtung trinken sehen wie diesen Kaffee. Nicht einmal Morocho.

Kinderbuchsuche

Aber dann war da ja noch die Sache mit meinem Souvenir aus Ecuador. Wer schon einmal bei mir daheim war weiß, dass ich ein Faible für schön gestaltete Kinderbücher habe. Seit einigen Jahren bringe ich mir aus den Ländern, die ich bereise, ein oder zwei solche Kinderbücher mit, die natürlich in der lokalen Sprache und möglichst auch von einheimischen Autoren verfasst sein sollten.

In Kolumbien wurde ich erst bei unserem zweiten Bogotá-Aufenthalt auf einem Flohmarkt fündig und in Ecuador bisher noch gar nicht. Überhaupt schienen Bücher hier eher selten und immer sehr teuer zu sein. Kinderbücher gibt es fast gar nicht, wenn man mal von den üblichen Disney-Verschnitten absieht.

Nachdem wir gefühlt jede Buchhandlung, jedes Spielwarengeschäft und jeden Papierladen in Loja besucht hatten, hatte ich die Suche eigentlich schon aufgegeben. Auf dem Weg zurück zum Busterminal liefen wir dann jedoch in einer Seitenstraße an „Babybooks“ vorbei, einem Laden voller meist lehrreicher Kinderbücher.. Die reizende Inhaberin war sehr geduldig und kramte immer wieder  neue Bücher heraus, während wir uns bemühten, die Anforderungen an das gesuchte Buch zu präzisieren: Aus Ecuador sollte es sein, aber nicht unbedingt über Ecuador. Bilder sollt es haben, aber auch einen Text mit einer Geschichte. Nicht zu groß durfte es sein und bitte kein Schreiblernheft.

Am Ende zog sie zwei dünne Hefte von einer Autorin aus Quito hervor, die bald ihr drittes Heft veröffentlichen wird. Diese zwei Erstlingswerke jedoch – eins passenderweise über die Galápagos-Inseln und eins über verlorene Früchte – fanden den Weg in meinen Besitz. Die Besitzerin von „Babybooks“ erklärte uns dann noch (drittes „Spanish high five“!), dass es sich bei ihrem Geschäft um das landesweit erste Projekt handelt, bei dem speziell Bücher für Kinder gesucht und verkauft werden. Offenbar gibt es hier kaum Bemühungen, Kinder an das Lesen heranzuführen, die über das hinausgehen, was ihnen in der Schule vermittelt wird.

Nächstes Abenteuer: Nachtbus

Etwas, das wir eigentlich vermeiden wollten war, in Kolumbien und Ecuador den Nachtbus zu nehmen. In Kolumbien lagen dem noch Sicherheitsbedenken zu Grunde, in Ecuador mehr Bequemlichkeit und dass unsere Strecken hier so kurz waren, dass sich ein Nachtbus eigentlich nicht gelohnt hätte.

Nun blieb uns durch den Faux-Pas unserer Busagentur nichts anderes übrig und ausgerechnet über diese Strecke hatten wir furchtbares gelesen: Insgesamt acht Stunden Fahrt, während denen lautstarke Musk gespielt wird, man auf unbequemen Sitzen eingezwängt ist und der Busfahrer alle Naselang Anhalter mitnimmt. Alle drei Punkte waren uns bereits von unseren anderen Busfahrten in Südamerika bekannt (von ausnahmslos allen!), aber für einen Nachtbus wünscht man sich halt anderes.

Ihr könnt euch vorstellen, wie groß unsere Freude war, als wir statt in solch einen Horrorbus einzusteigen, ein modernes Buswunder mit genialen Liegesitzen, extrem guter (und leiser) Federung betraten, in dem der Busfahrer auch noch die Innenbeleuchtung ausmachte, keinen Film und nicht einmal Musik laufen ließ.

Von den vier Stunden zur Grenze schliefen wir drei und waren deshalb sogar zurechnungsfähig, als wir um drei Uhr morgens am Genzposten den Bus verlassen und uns in eine kurze Schlange vor einem einsamen Containerhäuschen stellen mussten, um dort unseren Ausreisestempel zu erhalten.

Ein kurzer nächtlicher Spaziergang über den Grenzfluss hin zum peruanischen Äquivalent des Grenzpostens (der insgesamt weniger professionell aussieht, wo der Grenzbeamte aber immerhin einen Wasserkocher in seinem Kabuff stehen hat), den Einreisestempel kassiert und schon hatten wir unseren ersten Über-Land-Grenzübergang gemeistert. Keine Spur von Bürokratie oder geschäftstüchtigen Tuk-Tuk-Fahrern. Stattdessen sammelte uns unser Wunderbus wieder ein und brachte uns sicher bis Piura, wo wir allerdings auch nur wenige Minuten verbrachten. Denn unser nächstes Ziel hieß endlich: Küste! Strand!

11 Comments

  1. Hihi, wusste gar nicht, dass du auch so ein Kinderbuchsammler bist. Davon habe ich schon ein paar getroffen. Aber sag mal…wird das nicht irgendwann zu schwer? 😉 Ich seh euch schon das erste Päckchen schicken.

    1. Wirklich? Ich hab noch nie jemanden getroffen, der auch Kinderbücher sammelt. Verrückt.
      Momentan ist noch das größere Problem, schöne Bücher in Südamerika zu finden. Und die, die wir finden, sind glücklicherweise eher klein. Trotzdem werden wir bestimmt zwischendurch etwas nach Hause schicken (oder einer netten Seele mitgeben…). Schließlich wollen da ja auch noch Ponchos, Hängematten und ähnliches gekauft werden…

  2. Ich bin so froh, dass ihr da heil angekommen seid. Die Fotos von Jan bei der Grenzüberquerung sehen irgendwie schon etwas unheimlich aus, hat was von Glienicker Brücke, so gruselig wirkt das auf mich. Da bin ich ganz schnell wieder zu den Fotos vom Markt zurück gegangen. Ui, diese vielen Angebote unterschiedlichster Art, wie auf den Bazaren orientalischer Städte. Was ist das für ein “Teig” in dem Geschäft mit den vielen Eiern? Oder ist es Eis?

    Kirsten55
    1. Stimmt, die Fotos sehen gespenstischer aus, als es ist. Wir fanden die Grenzüberquerung vor allem amüsant, weil es so leer und einfach war.

      Der “Teig” ist Käse! So richtig tollen Käse wie bei uns oder in Frankreich gibt es hier (fast) nicht. Meist versteht man unter “queso” diesen weißen Weichkäse, der nach fast nichts schmeckt. Und auf dem Markt in Loja haben wir den größten Käse der Welt entdeckt. (Bilden wir uns zumindest ein.)

      1. Auf Käse wäre ich, ehrlich gesagt,, nie gekommen. Auf dem Foto sieht es so hell aus, dass es auch Eis sein könnte und die vielen Eier finde ich eher irritierend im Zusammenhang mit Käse. Aber man lernt ja nie aus.

        Kirsten55
  3. Abenteuer an Abenteuer! habt aber immer wieder Glück und seid nun auch recht gut in Peru angekommen.Wunderbar!!! Bei den Fotos zu Jan`s Geburtstagswanderung hatte ich doch Herzklopfen
    bekommen.Dieser Abseilakt sieht doch sehr gefährlich aus! Geht bitte,für einen Blick auf einen Wasserfall,nicht so ein Riesiko ein. Miechen,für Deine schöne Karte aus Guatape`,danke ich Dir herzlich! Alles Liebe und einen wunderbaren Aufenthalt in Peru für Euch! Oma Karin

    Oma
    1. Liebe Oma, Du brauchst Dir wirklich nicht so viele Sorgen zu machen. Die Abseilaktion war weniger spektakulär, als es auf dem Foto aussieht. Und wenn wir uns das nicht zugetraut hätten, hätten wir es auch nicht gemacht.

      Die Grenzüberquerung war übrigens auch gut vorbereitet. Wir haben uns vorher reichlich belesen und wussten, dass es da keine Probleme geben würde. Da hat Glück recht wenig mit zu tun. Wir sind ja nicht leichtsinnig. Und dass der ursprüngliche Bus dann doch nicht existierte – naja, das ist halt Südamerika, aber da kann man ja drum rum planen. So haben wir wenigstens noch Loja gesehen.

      Ich drücke Dich ganz fest und freue mich, dass die Karte schon angekommen ist!

  4. Hallo ihr zwei, auch ich habe eine Karte bekommen aus Guatape. Vielen Dank. Ich bin wirklich überrascht, wie sehr die Leute in Kolumbien und offensichtlich auch in Ecuador ihre Häuser verschönern. Diese liebevoll gestalteten farbigen Türen sind schon was Besonderes. Und in Kolumbien kann man sich ja offenbar richtig auf Street-art-Erkundungstour begeben…. LG

    Steffi
    1. Hallo Du eine,
      wie schön, dass die Karte angekommen ist. Vielleicht möchten die Menschen die sonst überwiegenden Braun- und Rottöne ein wenig auflockern und gute Laune verbreiten. Bei uns haben sie das in jedem Fall geschafft. Streetart ist sowohl in Kolumbien, als auch in Ecuador sehr verbreitet und immer einen Blick wert.

      Jan

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