Melbourne: Unser Tor nach Australien

Melbourne: Unser Tor nach Australien

Bei unserer Routenplanung vor etwa anderthalb Jahren (ja, so lange ist es schon her, dass wir anfingen, eine fixe Idee in Realität zu verwandeln – wir können es manchmal selbst kaum glauben) dachten wir noch, wir würden auch nach Tasmanien fahren. Tatsächlich hatte ich diese Insel an der Südküste Australiens sogar auf die „Must-See-Liste“ gesetzt. So erklärt sich auch, dass wir von Neuseeland nach Melbourne flogen und nicht etwa nach Sydney.

Manchmal aber ändern sich Reisepläne. Und sogar „Must-See-Listen“ können umgeworfen werden. In den vergangenen zwei Monaten hatten wir einfach zu häufig gehört, dass Tasmanien Neuseeland sehr ähnlich sein soll, aber nicht ganz so schön. Irgendwann rutschte Tasmanien dann auf die „Beim-nächsten-Mal-Liste“, denn wir wollten diese eigentlich sehr, sehr schöne Insel keinesfalls enttäuscht verlassen.

Ich denke, es war klug, dass wir das so gehandhabt haben. Denn allein die Enttäuschung darüber, Neuseeland verlassen zu haben war schon groß genug. So groß übrigens, dass Jan fast drei Wochen gebraucht hat, um ein wenig darüber hinweg zu kommen und sich wirklich auf Australien einlassen zu können. Vielleicht werden wir irgendwann erleben, wie ähnlich sich Tasmanien und Neuseeland wirklich sind – beim nächsten Mal eben.

Willkommen in Melbourne, willkommen in Australien!

Nun waren wir aber schon auf den Flug nach Melbourne gebucht. Aber es gibt ganz bestimmt schlechtere Orte, um sich zu sortieren, ein paar Dinge zu organisieren und vor allem eine neue Stadt kennenzulernen. Nach Christchurch war Melbourne ein ziemliches Kontrastprogramm. Während Christchurch sich noch von den schweren Erdbeben erholt und darum kämpft, Einwohner (zurück) zu gewinnen, ist Melbourne eine international geprägte Großstadt. Allein in dieser Stadt leben beinahe eben so viele Menschen wie in ganz Neuseeland!

Wir haben es in Melbourne trotzdem noch ein wenig ruhiger angehen lassen als in Christchurch und versucht, mehr vom Flair der Stadt mitzubekommen als von den eigentlichen Sehenswürdigkeiten. (Da wir zu diesem Zeitpunkt keinen Reiseführer hatten, waren wir auf spärliche Informationen aus ein paar Reiseblogs angewiesen und zwei, drei Tipps unserer Airbnb-Gastgeber. Aber das passte ganz gut. Wenn man nicht weiß, was es da draußen alles gibt, dann hat man auch nicht ständig das Gefühl, etwas zu verpassen.)

Apropos Airbnb: So viel Glück hat man wohl selten bei der Unterkunftsfindung! Nachdem ich schier verzweifelt war ob der hohen Preise und schlechten Bewertungen für Hostels, stolperte ich über die Unterkunft bei Eion und Allie. Zugegeben, das Häuschen war etwas weiter draußen, aber die Straßenbahnfahrt ins Zentrum war durchaus machbar und auch noch zu später Stunde zuverlässig.

Eion und Allie waren zumindest als wir dort waren kein Pärchen, aber ziemlich coole Mitbewohner. Tatsächlich fühlten wir uns auch mehr dieser Wohngemeinschaft zugehörig als es vielleicht in Christchurch der Fall war. Eion hat gerade sein Musikstudium abgeschlossen und befindet sich ein bisschen in der Findungsphase. Allie ist Opernsängerin (!) und studiert dieses Fach auch. Neben der Musik ist beiden gemein, dass sie unfassbar sympathisch sind und wir einige Morgen/Nachmittage/Abende mit ihnen verquatschten.

Melbourne zu Straßenbahn…

Wir suchten uns also die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt heraus und das, was Melbourne halt zu Melbourne macht. Am Tag unserer Ankunft war uns außer Ankommen und Essen nach keinen weiteren Unternehmungen. Aber immerhin hatten wir bereits auf dem Weg vom Flughafen in die Innenstadt aus ganz weiter Ferne schon Kängurus gesehen!

Die "Touristentram" Nr. 35 in MelbourneAm Folgetag jedoch stand schon klassisches Touristenprogramm auf dem Plan. Punkt eins hieß: Touri-Straßenbahn fahren! In Melbournes Innenstadt sind die Straßenbahnen kostenfrei – für Besucher und Einheimische gleichermaßen – und um die Innenstadt herum fährt die Linie 35. Diese Straßenbahnlinie ist die einzige, die noch mit historischen Waggons fährt und in der es eine automatische Kommentierung der umliegenden Gegenden gibt. Letztere sind über das Gerumpel der Bahn jedoch kaum zu verstehen und überhaupt sahen wir weniger aus der Bahn heraus, als wir uns vorgestellt hatten. Also verließen wir die Bahn nach einer halben Umrundung und spazierten lieber zu Fuß weiter.

…und zu Fuß

Die Straßen von Melbournes Innenstadt sind in einem klassischen quadratischen Grundmuster angelegt. Sie werden vor allem von sehr hohen, sehr modernen Gebäuden gesäumt. Dazwischen jedoch befinden sich viele kleine lanes, also „Gassen“. Diese können mal zwei Straßen verbinden, mal enden sie in einer Sackgasse. Mal sind sie breit genug für Autos, mal passt gerade so ein Mensch hindurch. In diesen Gassen befindet sich für manche das wahre Herz Melbournes. Hier gibt es urige und trendige Bars, Szenetreffpunkte, Top-Restaurants und vor allem ganz, ganz viel Streetart.

Die für ihre Streetart bekannteste Gasse ist die Hosier Lane. Wir persönlich waren jedoch mehr als enttäuscht von ihr. Das, war wir in der Hosier Lane sahen, war bestenfalls als Graffiti zu bezeichnen, aber ganz sicher nicht als „Kunst“! Ein wenig entschädigt wurden wir allerdings durch die nicht weit davon entfernten Gassen. In der Oliver Lane, AC/DC Lane (dreimal dürft ihr raten, was die Streetartists hier thematisierten) und anderen fanden wir witzige, politische, gesellschaftskritische oder einfach nur schöne Kunstwerke. Eben jene Vielfalt, die wir an Streetart so mögen.

Um das Touristenprogramm abzurunden schlossen wir uns anschließend noch einer Free Walking Tour an. Da erst wurde uns so wirklich bewusst, dass wir schon sehr lange, nämlich seit Südamerika an keiner geführten Stadtwanderung mehr teilgenommen hatten. Dieses Mal hatten wir mit unserem Führer wieder großes Glück. Die Wanderung war unterhaltsam, informativ und auch, als wegen eines Anschlags große Teile der Innenstadt abgesperrt wurden, ließ sich Andreas nicht aus der Ruhe bringen und führte uns einfach auf anderen Wegen zum Abschluss der Tour am Yarra River mit Blick auf die Skyline Melbournes.

(Randnotiz zum Anschlag)

(Ja, wir waren tatsächlich genau zum Zeitpunkt des Anschlags eines von der IS inspirierten Idioten in der Innenstadt. Bei diesem Vorfall kam neben dem Attentäter leider auch ein lokaler Restaurantbesitzer ums Leben. Wir selbst haben von den Details allerdings erst hinterher erfahren.

Ob uns das unsicher gemacht hat? Nein, nicht wirklich. Im (Reise-)Alltag sind solche Dinge zu weit weg und zu abstrakt, um ständig Angst zu haben. Aber es hat uns doch gezeigt, dass heute leider kein Fleckchen der Erde mehr völlig immun gegen sinnlose Gewalt ist.)

Barhopping, erster Halt

Genauso wie die Melbourner wollten auch wir uns nicht von dem Attentat ins Bockshorn jagen lassen. Wir verbrachten also den kommenden Tag nicht nur faulenzend in unserer Unterkunft, sondern begaben uns am Abend wieder Richtung Innenstadt.

Melbourne ist nämlich auch dafür bekannt, dass man hier abends gut und stilvoll feiern kann. Die Bars Melbournes sollen australienweit einen guten Ruf haben. Sogar unserer Führer vom Vortag, Andreas, hatte uns verschiedenste Tipps mit auf den Weg gegeben. Zwei davon wollten wir heute ausprobieren. Außerdem war es schon viel zu lange her, dass wir so richtig ausgegangen sind!

Unser erster Stopp führte uns ins Goldilocks. Der Weg dorthin ist etwas kompliziert und erinnerte uns an die hidden bars in Buenos Aires. Neben einem asiatischen Schnellimbiss versteckt sich ein kleiner, unscheinbarer Fahrstuhl, der uns bis kurz unters Dach des Gebäudes brachte. Dort ausgestiegen ging es ein paar schmale Treppen an einer anderen Bar vorbei hinauf, bis wir das Dach erreichten. Auf diesem befand sich die Goldilocks-Bar.

Während die Aussicht doch ein bisschen verbaut war – wir befanden uns schließlich mitten in Melbournes Innenstadt – war das Flair umso netter. Selbst ich in meiner Backpacker-Kluft fühlte mich nicht völlig unwohl. Die Cocktailkarte war angenehm kreativ, wenn auch (ganz nach australischem Standard) nicht gerade günstig. Wir verbrachten eine schöne Stunde dort oben, quatschten miteinander und mit den beiden US-Amerikanern neben uns (die alles in Australien „awesome“, also „phantastisch“ fanden) und genossen unsere Cocktails.

Barhopping, zweiter Halt

Anschließend zog es uns in die Berlin Bar. Klar, dass die auf uns als Deutsche und auf mich im Speziellen einen besonderen Reiz ausübte. Spannend wird die Berlin Bar aber durch ihre Inneneinrichtung. Es gibt hier nämlich zwei Bereiche: Den kapitalistischen „Westen“ (glitzernd und glamourös) und den stalinistischen „Osten“ (karg). Nein, politisch korrekt ist das nicht. Wohl aber witzig und gar nicht schlecht gemacht. Uns wurde ein kleines Plätzchen im „Osten“ zugewiesen. So konnten wir, während wir unsere auch hier sehr guten Cocktails genossen, wahlweise ein Porträt von Stalin oder den Film „Das Leben der Anderen“ betrachten. Ich denke, die meisten anderen Gäste werden die Ironie dahinter nicht verstanden haben, aber das macht ja nichts.

Zwischen unserem Barhopping hüpften wir auch noch an einem internationalen Konditor vorbei. Neben Köstlichkeiten aus aller Herren Länder gab es dort auch … Rumkugeln! Es versteht sich von selbst, dass ich nicht ohne eine solche gekostet zu haben, weitergehen konnte. Tatsächlich war die Rumkugel fast so gut, wie die von zu Hause. Nur auf die Rumrosinen im Inneren hätten sie verzichten können. Aber ich will mich nicht beschweren. Eine echte Rumkugel gehörte sicher zu den Dingen, die ich eher nicht auf unserer Weltreise erwartet hatte.

Karneval einmal anders

Am 11.11. hätten wir in Deutschland normalerweise anderes zu tun, als über Märkte oder durch Gärten zu streifen. Tatsächlich waren uns am Abend zuvor auch ein paar verkleidete Gestalten begegnet. Die wirkten in Melbourne zwar fast eben so fehl am Platze wie sagen wir mal in Rostock, aber wer weiß wie das in ein paar Jahren aussieht. Vielleicht gibt es dann eine zweite Karnevalshochburg in Australien!

Ganz ohne Kostüme ging es für uns an diesem 11.11. zunächst in die Docklands von Melbourne, wo wir vom Sonntagsmarkt aber ziemlich enttäuscht waren. Die paar Hütten qualifizierten unserer Meinung nach wirklich nicht für einen ordentlichen „Markt“.

Um doch noch zu ein wenig Markterlebnis zu kommen, gingen wir daher zum bekannten und beliebten Queen Victoria Market. Ehrlich gesagt hatte ich von diesem nicht sehr viel erwartet – zu touristisch sollte er sein, zu wenig authentisch. Umso freudiger überrascht waren wir dann, als wir endlich vor Ort waren. Zum einen ist der Markt wirklich groß, zum anderen bietet er eigentlich für jeden Geschmack etwas.

Natürlich gibt es auch einen Haufen Klamotten- und Souvenirstände. Aber es befinden sich eben auch eine Menge Stände dort, an denen die Melbourner ihr frisches Gemüse kaufen. An einem nur temporären Stand durften wir eine ganz ausgezeichnete Käseprobe machen und ein paar Gassen weiter erstand Jan seinen echten australischen Känguru-Hut, den ihr ab sofort auf vielen Fotos zu sehen bekommen werdet.

Die Königlichen Botanischen Gärten

Auch in Melbourne findet man immer wieder Hinweise darauf, dass Australien einst britische Kronkolonie war. Sei es  nun der „Queen Victoria Market“ oder seien es die Bezeichnungen seiner botanischen Gärten. Der Royal Botanic Garden wird als eines der weltweit besten Beispiele für viktorianische Gartenbaukunst betrachtet.

Und wirklich gibt es hier unglaublich viele schöne Ecken – seien es die großen Rasenflächen, auf denen man picknicken und faulenzen darf (in Deutschland undenkbar) oder die kleinen Gärten, die dazwischen angelegt sind. Da gibt es einen Regenwald mit einheimischen Pflanzen, einen Steingarten, einen Kräuter- und einen Sukkulentengarten. Und als wäre all das noch nicht genug, gibt es mitten in dem Garten einen kunstvoll angelegten See, der umgeben ist von malerischen Buchten.

Bunte Boxen in Brighton

Dermaßen entschleunigt entschieden wir uns an unserem letzten Tag in Melbourne gegen den Trubel der Stadt und machten uns auf Richtung Süden, Richtung Strand. Eine längere Busfahrt brachte uns nach einigen Umwegen schließlich an den Strand von Brighton. Dieser würde vermutlich niemals in irgendeinem Reiseführer Erwähnung finden, wenn es dort nicht diese kleinen „Badehütten“ geben würde. Diese hölzernen Häuschen gehören den ansässigen Familien und sind – so vermuten wir – das Strandpendant zu einer Gartenlaube.

Meist sind die Hütten geschlossen, was aber ganz und gar nichts macht. Denn von außen sind sie vermutlich ohnehin interessanter. Die Besitzer nämlich scheinen insgeheim einen Wettbewerb um die farbenfroheste bathing box auszutragen. Und so erstrahlen die Häuschen in den fröhlichsten Farben und Mustern und machen jeden Hobbyfotografen glücklich!

4 Comments

  1. Oh wow, ein Kookaburra in der Innenstadt. Da habt ihr ja gleich ein paar tolle Vögel gesehen. ? Und die Häuser in Brighton sind wirklich sehr süß. Da war ich damals nicht. Aber auf beiden Märkten bin ich gewesen und meine Reaktion war so ungefähr wie bei euch.
    Ein Glück, dass ihr von dem Verrückten mit dem Messer nicht mehr mitbekommen habt. Lasst euch nicht einfallen, euch so eine Begrüßung in jedem Land anzugewöhnen!!!

    1. Wir appellieren hiermit auch an alle noch folgenden Länder: bitte keine Messerattacken und ähnliches zur Begrüßung mehr. Die Variante mit Blumenketten etc. ist einfach so viel entspannter. Danke.

      Vögel gab es jede Menge zu sehen. Danke, dass wir nun auch wissen, dass der Lachende Hans in Australien auf den Namen Kookaburra heißt. Den haben wir mittlerweile ziemlich häufig gesehen, allerdings dann eher in ländlichen Gebieten.

      Jan
  2. Oh je, das tut mir richtig leid, dass Jan sich so schwer getan hat mit dem Abschied aus Neuseeland. Verstehen konnte ich es ja schon. Bei euren Beschreibungen und den vielen tollen Fotos hatte ich selbst den Eindruck, dass man sich dort einfach nur wohl fühlen kann. Aber jetzt seid ihr auf dem besten Weg zu neuen Abenteuern und wer weiß wieviele Abschiede, die schwer werden, es auch in Australien geben wird. Die Tierwelt dort wird euch für vieles entschädigen, wenn ich allein diese knuffigen Koalas sehe und ihr seht sie nun dort, wo sie hingehören, nicht nur in einem Zoo.

    Kirsten55
    1. Das mit dem Abschiednehmen gehört halt leider auch zum Reisen dazu. Ich glaube aber, dass wir beide inzwischen auch in Australien “angekommen” sind und die Koalas haben ganz sicher ihren Teil dazu beigetragen!

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