Cartagena: zu Hause bei Freunden

Cartagena: zu Hause bei Freunden

In Kolumbien haben wir das große Glück, dass wir nicht nur in Bogotá von Freunden aufgenommen werden. In Cartagena wartet bereits ein ehemaliger Kollege von Jan auf uns. Sergio arbeitet noch bei Hamburg Süd, allerdings hier in Kolumbien. In der internationalen Frachtschifffahrt ist es üblich, dass man eng zusammenarbeitet, ohne sich je persönlich gesehen zu haben. Die Kommunikation findet per Mail und Telefon statt und das aufgrund der Zeitverschiebung und der Fahrpläne der Schiffe häufig zu furchtbaren Zeiten (zumindest für eine Seite des Ozeans). Aber das gehört zu Jans Traumjob halt dazu.

Entsprechend groß ist die Freude bei Jan darüber, nun endlich ein paar Gesichter mit den vertrauten Stimmen (und Stauplänen…) zu verknüpfen. Nach einer weiteren langen, aber nicht minder sehenswerten Busreise werden wir von Sergio und seiner ältesten Tochter Mariana herzlich und gleich mit einem typisch kolumbianischen Mittagessen empfangen. Es gibt ein leckeres Reisgericht mit Hühnchen und Gemüse – perfekt für unsere ausgehungerten Backpackermägen!

Wir sind in der Karibik!

Cartagena heißt mit vollem Namen eigentlich Cartagena de Indias. Benannt wurde es nach der Indigenen India Catalina, die dem Konquistadoren und Gründer Cartagenas, Pedro de Heredia, als Übersetzerin half und später sogar seinen Neffen heiratete. Dass Cartagena im 16. Und 17. Jahrhundert rasant wachsen konnte und sich eines großen Wohlstands erfreute, lag vor allem an der günstigen Lage: Ein großer Naturhafen, zusammen mit einem im 17. Jahrhundert mit Sklavenarbeit gebauten Kanals, der heute noch in Gebrauch ist, machten es zum perfekten Handelsplatz zwischen Neugranada (heute Venezuela, Kolumbien, Panama und Ecuador) und Europa.

Gehandelt wurde vor allem mit Edelmetallen und -steinen (die häufig den indigenen Völkern geraubt worden waren) und, noch einträglicher, mit Sklaven. Cartagena war der größte Umschlagplatz für Sklaven in Südamerika. Spuren davon findet man heute noch in den Namen von Straßen und Plätzen, sowie der Architektur der Stadt. Inzwischen scheint Cartagena einiges dafür zu tun, diesen Teil der Geschichte aufzuarbeiten und zu vermitteln, statt ihn zu verstecken.

Zunächst aber begrüßt uns Cartagena mit karibischer, schwüler Hitze. Wir sind in der Karibik! Dieser Gedanke lässt Jan vor Freude tatsächlich mehrfach laut jauchzen. Das Grinsen kriegt er ohnehin nicht mehr aus dem Gesicht. Ein schöner Anblick!

Unser erster Spaziergang führt uns erst entlang des Atlantiks, von wo wir hinter vielen Fischer- und Segelbooten auch eins der Containerterminals sehen können, und dann kreuz und quer durch die Altstadt von Cartagena. Hier drängen sich bunte, blumenbewachsene Häuschen an kopfsteingepflasterte, schmale Gassen und eins ist schöner als das andere. An den großen Holztüren hängen die absonderlichsten Türklopfer in der Gestalt von Löwen, Meerjungfrauen, Reptilien und vielen anderen. Ab und zu öffnet sich dann solch ein Gässchen auf einen Platz, an dem die kolumbianischen Touristenfänger die größte Mittagshitze abwarten oder sich auf ihre nächtlichen Auftritte vorbereiten.

Dazwischen und überall natürlich viele, viele Gringos. Klar, Cartagena ist Kolumbiens Touristenhochburg Nummer 1 und täglichen landen hier Kreuzfahrtschiffe. Wir lassen uns davon nicht beirren und genießen einfach die Umgebung und die tolle Atmosphäre der Stadt. Sollen doch die anderen einen der Sombreros oder Selfie-Sticks kaufen.

Wenn Schiffsplaner sich treffen, Teil 1

Abends dann treffen wir uns durch Vermittlung eines weiteren Kollegen spontan mit einigen Schiffsplanern aus Cartagena in der Bourbon Street Bar (sehr cool, sehr lässig). Die sind dort zusammen mit ihrem neuen Boss, den Jan witzigerweise ebenfalls kennt. Cesar war davor nämlich lange in São Paulo tätig und hat jetzt das hiesige Planerteam übernommen. Nach anfänglichem, vorsichtigem Beschnuppern (was macht dieser komische deutsche Planer plötzlich hier?) ist bei allen die Freude groß und die Gespräche in einer wilden Mixtur aus Englisch und Spanisch drehen sich um alles Mögliche, nicht nur die Arbeit. Wir fühlen uns jedenfalls pudelwohl in der Runde und werden herzlichst eingeladen zu kolumbianischem Bier, Chickenwings und anderen Leckereien.

Eine gesicherte Stadt

Der nächste Tag gehört dann ganz uns beiden. Wir entschließen uns, zunächst die 11 km lange Stadtmauer abzulaufen, die die beiden ältesten Stadtteile, die Altstadt (wiederum in El Centro und San Diego unterteilt) und Getsemaní umgibt. Diese ist beinahe vollständig erhalten und man kann fast überall auf der Mauer laufen. Entgegen deutscher Gepflogenheiten werden steile Abgründe hier übrigens nicht mit Gittern abgesichert. Gleiches fällt uns in ganz Kolumbien immer wieder auf. Scheinbar vertraut man entweder auf den gesunden Menschenverstand oder eine natürliche Auslese…

Auf der Mauer haben wir die Sonne im Gesicht und das Meer im Blick. Ein entspannter, sehr zu empfehlender Spaziergang. Und wenn das Trinkwasser ausgeht, dann gibt es ausreichend fliegende Händler, die einem sehr gerne Flüssiges in jeder Form verkaufen. Hier fällt unser Blick auch wieder auf verschiedene Festungsanlagen, die unterschiedlich gut erhalten sind. Zusammen mit der Stadtmauer und dem landeinwärts liegende Castillo San Felipe waren diese dafür verantwortlich, das reiche Cartagena jahrhundertelang recht erfolgreich gegen Seeräuber und abwechselnd gegen Engländer und Spanier zu verteidigen. Erfolgreicher zumindest, als wenn es diese nicht gegeben hätte.

Auf dem Rückweg Richtung Manga, dem Stadtteil, in dem Sergio und daher auch wir wohnen, kommen wir nun endlich auch durch Getsemaní, das der Backpacker-Teil des zentralen Cartagena ist. Hier stoßen wir neben groovigen Hostels und chilligen Cafés in kleinen Gässchen wieder auf tolle Streetart. Wir meinen sogar, einige der Künstler aus Bogotá wiederzuerkennen.

(Ja, der Stadtteil, in dem wir untergekommen sind, heißt wirklich Manga – das einzige, was an diesem bemerkenswert scheint, ist allerdings, dass Gabriel García Márquez Teile seines Romans „Die Liebe in Zeiten der Cholera“ hier spielen ließ. Ich gebe zu, dass ich diese Orte nicht wiedererkannt habe.)

Das Castillo San Felipe

Was Jan seit wir hier angekommen sind, magisch angezogen hat war mitnichten das Containerterminal, sondern das Castillo San Felipe de Bajaras. Das ist eine wirklich gigantische Festungsanlage, sogar die größte, die die Spanier in Südamerika errichtet haben. Ursprünglich haben diese mit Hilfe holländischer Konstrukteure auf einem Hügel östlich von Cartagena ein ziemlich unspektakuläres Fort aus Holz erbaut, welches dann auch prompt (40 Jahre später, Ende des 17. Jahrhunderts) von einem französischen Korsaren eingenommen wurde.

Die Engländer stellten sich 1741 weniger schlau an und scheiterten am spanischen Admiral Blas de Lezo, der dabei noch sein zweites Bein verlor (im fehlten außerdem bereits ein Arm und ein Auge, weshalb man ihn später auch „Patapalo” (Holzfuß) und “Mediohombre” (halber Mann) nannte. De Lezo war vermutlich der Prototyp des Piraten mit Holzbein.

Anschließend wurde das Fort massiv verstärkt und erhielt seine heutige Form. Diese Befestigungen wurden jedoch nie wieder auf die Probe gestellt und das Castillo blieb fortan uneingenommen. Das mag jetzt erstmal ein bisschen nach Sisyphusarbeit klingen, aber ganz ehrlich: beim Anblick dieser Mauern hätte ich auch gekniffen und wäre wieder nach Hause geritten, ohne das Ding gestürmt zu haben. Wie riesig die Anlage ist und wie ausgeklügelt die Verteidigungsmaßnahmen wird einem erst bewusst, wenn man selbst eine Terrasse nach der anderen erklettert und durch die Tunnel kriecht, die sich kreuz und quer durch das Castillo ziehen.

Die Terrassen und Batterien sind so angelegt, dass es quasi unmöglich ist, sich dem Castillo zu nähern, ohne von mindestens einer Seite unter Beschuss zu geraten. Außerdem dienten einige der Tunnel tatsächlich als unterirdische Sprengstoffdepots, die bis hinter die Mauern des Castillo reichten und gezielt gesprengt werden konnte, um Feinden den Boden unter den Füßen zu entziehen. Sollte es einem Angreifer dennoch gelingen, eine dieser Batterien zu erobern, brachte ihm das noch lange nichts, denn von da ging es nur durch weitere Nadelöhre und Tunnel weiter – unter konstantem Beschuss, versteht sich. Ach ja, und die Mauern sind natürlich auch mehrere Meter dick.

Ich hätte nicht gedacht, dass die Besichtigung eines „alten Gemäuers“ mir so gefallen und mich so beeindrucken könnte. In Europa haben wir ja auch ein bisschen alten, befestigten Stein, aber dieses Castillo stellt alles in den Schatten, was ich bisher gesehen habe. Die 25.000 COP pro Person haben sich für uns jedenfalls gelohnt.

Frischer Fisch

Nach dem Castillo wollten wir eigentlich gemütlich zurückschlendern und einen Schwenk über den Strand machen. Denn Sergio hatte für den Abend zum Barbeque eingeladen und das lässt man sich natürlich nicht entgehen! Zwei Dinge kamen dazwischen: Zunächst erreichten wir gerade den Malécon, als eine Gruppe junger Fischer ein großes Netz einholten. Am Strand hatten sich bereits ein Haufen Menschen und Seevögel eingefunden, die auf den Fang warteten. Die Fische – und es waren einige große dabei! – wurden direkt aus dem Netz verkauft. Was dann noch übrig und kleiner als ein Handteller war, wurde den Reihern und Pelikanen überlassen, die bis dahin geduldig gewartet hatten. Sogar zwei Fregattvögel haben wir gesehen, die schwebten aber lieber majestätisch über den Dingen.

Wenn Schiffsplaner sich treffen, Teil 2

Treffen in Cartagena mit Jonathan und YeyeNun aber schnell zum Barbeque! Dachten wir… Denn Jan erreichte just in dem Moment eine Nachricht von Jonathan, einem anderen Kollegen, der aber in der Bourbon Street Bar nicht dabei sein konnte. Er und seine Frau Yeye hatten uns tatsächlich aus dem Taxi heraus am Strand erkannt und warteten nun in einer kleinen Bar in El Centro auf uns. Für Saft, Snacks und ein sehr nettes Gespräch mit der Aussicht auf Verlängerung am nächsten Tag haben wir uns natürlich Zeit genommen.

Barbeque kolumbianisch

Aber jetzt: zurück nach Manga, wo wir ein weiteres Mal überrascht wurden. Denn das Barbeque „for the family“ entpuppte sich als größere Angelegenheit, zu der die halbe Nachbarschaft eingeladen war. Und auch Cesar trafen wir dort wieder, diesmal in Begleitung von Frau und Tochter.

Das Barbeque war übrigens ganz köstlich: Rindersteaks, Chorizo, Arepas (Maisfladen, die es hier quasi überall gibt), Guacamole, Bier und Whiskey – was braucht der Mensch mehr zum Glücklichsein, wenn er das bei lauen 28°C genießen kann? Mit unserem radebrechenden Spanisch sorgten wir immerhin für einiges Amüsement und konnten so wenigstens etwas beisteuern.

Ein Tag bei Freunden

Für unseren letzten vollen Tag in Cartagena hatten wir uns Entspannung verordnet. Einziges Ziel: Einmal im Atlantik schwimmen und nach Möglichkeit Jonathan und Yeye noch einmal treffen. Außerdem wollten wir uns dem Stress und die Kosten einer Fahrt an einen dieser karibischen Traumstrände nicht geben. Also wanderten wir wieder Richtung Malécon und dann noch ein bisschen weiter, bis wir ihnen schreiben konnten, dass wir jetzt quasi direkt vor ihrem Wohnkomplex stünden. (Die beiden wohnen tatsächlich mit Blick aufs Meer und abends auf spektakuläre Sonnenuntergänge. Ganz großer Neid!)

Wir wussten, dass sie keine Pläne für den Tag hatten (Himmelfahrt, der ohnehin ein Feiertag in Kolumbien ist) und wurden auch prompt in ihre Wohnung auf einen jugo de tomate de árbol eingeladen. Bei diesen „Baumtomaten“ handelt es sich genau genommen nicht um Tomaten, auch wenn sie fast so aussehen, sondern um Tamarillo und die Früchte sind eigentlich Beeren. In jedem Fall sind sie als Saft verdammt lecker.

Anschließend begleiteten uns Jonathan und Yeye zum Strand, wo Jan und ich im herrlich warmen Atlantik planschen konnten, bis wir von fußballspielenden Jungs vertrieben wurden, die ihr Spielfeld quasi um unsere Strandtücher herum gebaut haben. Wir flüchteten dann an bzw. in den Pool, der zum Wohnkomplex unserer beiden Freunde gehört.

Abschied von Cartagena

Unglaublich, wie schnell Menschen einem ans Herz wachsen können! Jonathan und Yeye waren einfach so offen, freundlich, großzügig, dass es mich umgehauen hat. Obwohl wir nur wenige Stunden miteinander verbracht haben, fiel uns der Abschied richtig schwer. Und nicht nur die zwei sind auf jeden Fall ein Grund, wieder nach Cartagena zu kommen.

Auf dem Heimweg hatten wir ein weiteres Mal richtig Glück und landeten auf der Suche nach etwas Essbarem in einem nicht sehr atmosphärischen, aber typisch kolumbianischem Restaurant, in dem es unfassbar gute Fischgerichte gab. Unsere erste karibische Ceviche und ich bin jetzt schon süchtig!

Morgen geht es weiter Richtung Nordosten nach Santa Marta. Eigentlich kann es gar nicht so toll werden wie Cartagena, aber auch dort warten schöne Orte auf uns, die entdeckt werden wollen. Und neben all den wunderbaren Erinnerungen nehme ich aus Cartagena noch eins mit: Ich glaube, ich bin jetzt so richtig in unserer Weltreise angekommen. Ein sehr gutes, sehr entspanntes Gefühl.

8 Comments

  1. Da wird ja die Reiselust nur so angestachelt, wenn man euren Bericht liest. Um die vielen Bekannten rund um den Globus bin ich schon ein bisschen neidisch…sowas ist sicher sehr praktisch. Und schöne Bilder habt ihr wieder dabei! Ich versuche die ganze Zeit, ein gutes Bild von einem Pelikan zu schießen, aber die Leute hier halten die natürlich für vollkommen gewöhnlich und fahren immer im vollen Tempo dran vorbei. ^^”

    1. Und das sagst Du, die ja sogar noch reist. ?

      Mit den Bekannten hier in Kolumbien haben wir wirklich Glück. Evtl. gibt es in Ecuador noch einmal die Chance, bei Verwandten eines Arbeitskollegen zu nächtigen und dann erst wieder in Neuseeland und in Indien, aber das weißt Du ja. ?

      Die Pelikane haben wir auch erst so scharf aufs Bild gekriegt, als die Fischer ihren Fang eingeholt haben. Vielleicht ergibt sich für Dich bald eine ähnliche Gelegenheit. Ich drück Dir ganz fest die Daumen!

  2. So wunderbar ausführliche Berichte und diese vielen herrlichen Fotos, da bin ich ganz gespannt auf alles, was da noch kommen wird. Es lässt uns auf eine Weise ein Stück “mitreisen”, die wir uns zuvor kaum vorstellen konnten.
    Wir haben uns hier richtig mitgefreut, als wir die Bilder von Jan und seinen Kollegen sahen und das “Dauergrinsen” ist durchaus aufgefallen (und hat uns gleich mitgrinsen lassen). Es ist wunderbar, neben dem was ihr seht, auch euch zu sehen. Wir drücken die Daumen für alles, was ihr noch vorhabt.
    Mama

    Kirsten55
    1. Hallo Mama,

      wir freuen uns riesig, dass wir so fleißige Leser und Kommentatoren in unseren Familien haben! Ganz lieben Dank dafür.

      Momentan hängen wir etwas hinterher, aber die nächsten Berichte folgen bald. Zumindest sind schon die Fotos aus dern Regenwald gesichtet. Dann gibt es mehr vom “Dauergrinsen”, versprochen. ?

  3. Pingback: Santa Marta: Schönes Hostel, und nun? | Travel-Dvootes.de

  4. Das ist ja toll, dass ihr die ehemaligen Kollegen von Jan getroffen habt. Da kannte Jan tatsächlich ja vorher nur die Stimme. Da taucht man dann ganz anders ein ins Land….

    steffi
    1. Hallo Steffi!

      Ja, das war wirklich toll. Jan hatte sich so darauf gefreut und dass das dann so super geklappt hat (und wir manche ja sogar mehrfach getroffen haben) hat sicher dazu beigetragen, dass uns Cartagena so gut gefallen hat.

  5. Pingback: Chiang Mai: thailändische Gastfreundschaft, thailändische Klischees | Travel-Dvootes.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert