Bay of Islands & Waitangi

Bay of Islands & Waitangi

Da es in Russell nur einen vernünftigen Campingplatz gab, der uns aber zu teuer war (und wir immerhin noch Tageslicht übrig hatten, das genutzt werden wollte), hatten wir am Vortag mit der Autofähre nach Pahia übergesetzt.

Von hier wollten wir nach einer erholsamen Nacht (ja, es schläft sich erstaunlich gut in so einem Campervan) eine Bootstour durch die Bay of Islands machen. Wir buchten uns spontan – es ist schon toll, außerhalb der Hauptsaison unterwegs zu sein – auf einer der wenigen Touren ein, die gerade die Bucht befahren. In drei Stunden sollte es an einigen der Inseln vorbei gehen und dann raus aus der Bucht zum sogenannten Hole in the Rock, also dem „Loch im Felsen“. Zwischendurch versprach man uns Delfinsichtungen. (Bei Nichterfolg hätten wir einen lebenslangen Gutschein für eine andere Tour erhalten…)

Das Wetter meinte es heute leidlich gut mit uns. Es war zwar ziemlich windig und regnerisch, aber immerhin war die See deutlich ruhiger als noch am Vortag, als es der Katamaran kaum aus der Bucht geschafft hatte. Die Sicht war dadurch natürlich nicht so brillant. Wir durften dafür ganz viel Atmosphäre atmen, wie wir so zwischen Inseln entlangjagten, die halb im Dunst versanken.

Delfine an steuerbord!

Unsere Kapitänin erzählte über die Bordlautsprecher viel Historisches zu den verschiedenen Inseln, aber auch zu den Naturschutzprojekten vor Ort. Wir hörten so mit halbem Ohr zu, denn eigentlich, wenn wir ganz ehrlich sind, hatten wir ja auf Delfin- und Walsichtungen gehofft. Auch Wale soll es nämlich zu dieser Jahreszeit in der Bay of Islands geben. Und bei den Delfinen gibt es ja angeblich eine fast 100%ige Gewissheit, sie zu sehen.

Heute jedoch waren sie etwas zurückhaltend und auch die Kapitänin schien ein wenig ratlos zu sein. Endlich, kurz vor Verlassen der Bucht, tauchten aber dunkle Finnen im Wasser auf. So richtig in Spiellaune war diese Gruppe großer Tümmler allerdings nicht. (Vielleicht sind sie das mit den Booten auch nur noch nicht gewohnt. Unsere Kapitänin jedenfalls hatte diese Delfine noch nie zuvor in der Bucht gesehen.)

Trotzdem schwammen sie zweimal für mehrere Minuten mit dem Boot mit und kamen so nah, dass wir sogar die Kratzspuren von den Felsen, an denen sie sich gelegentlich reiben, sehen konnten. (Es sind definitiv keine Schiffsschrauben- oder ähnliche Spuren, die sähen anders aus.) Übrigens dürfen die Boote in der Bucht nur ganz langsam fahren, wenn sie Delfine gesichtet haben, und diese nicht bedrängen. Die Tiere müssen von allein zu den Booten kommen wollen. Sie wären außerdem jederzeit schnell genug, auch dem schnellsten Boot zu entkommen, wenn sie keine Lust mehr auf Spielen haben.

Ein Loch im Felsen

Das Hole in the Rock wäre uns nach den Delfinen ja schon fast egal gewesen. Aber wenn es schonmal Teil der Tour ist… Tatsächlich war es schon eine tolle Erfahrung, vorne auf dem Katamaran zu stehen und zu merken wie beim Verlassen der schützenden Bucht plötzlich Seegang und Wind enorm zunehmen. Bei höheren Geschwindigkeiten setzte das Boot richtig auf und die Gischt spritzte uns ins Gesicht. Es fühlte sich an, als würde man auf einem Ozeanpferd reiten, das sehr lange Galoppsprünge macht.

Und auch das Felsloch war dann doch beeindruckend. Aufgrund der aufgewühlten See konnte unser Boot nicht durch das Loch fahren. Allerdings fragten wir uns angesichts der relativen Enge dort drin, wie das so ein großer Katamaran selbst bei ruhigster See schaffen will…

Das Loch im Felsen ist ca. 18 Meter hoch und wird von den Maori Motukokako genannt. Laut einer Legende fuhren die Maori-Krieger mit ihren Kanus auf ihrem Weg zu Kämpfen mit anderen Stämmen durch diesen natürlichen Torbogen. Sollte ihnen dabei Wasser von oben auf ihre Köpfe tropfen, so war das ein besonders gutes Omen.

Ein bisschen Vorgeschichte

Ich habe bereits angedeutet, dass die Bay of Islands enorm wichtig für die Geschichte Neuseelands ist. Diese Bucht gilt wie gestern beschrieben als die Wiege der europäischen Besiedlung Neuseelands. Doch lange vor den Europäern hatten auch die Maori die geschützte Lage der Häfen und die reichen Fischgründe entdeckt und hatten sich in zahlreichen Dörfern niedergelassen.

Als Captain James Cook 1769 hier ankerte, fiel ihm leider angesichts der vielen, vielen Inseln und Felsen in der Bucht kein kreativerer Name ein als eben jenes „Bay of Islands“. Aber immerhin verliefen die Kontakte zu den hiesigen Maori gut (nach zwei unglücklichen Zusammenstößen an anderen Orten) und er freundete sich mit ihnen an. Geholfen hatte ihm dabei, dass ein Tahitianer mit an Bord war, der feststellte, dass er sich mit den Maori einigermaßen verständigen konnte.

Cook blieb allerdings nur wenige Tage hier und reiste alsbald ab. Erst drei Jahre später kam ein Franzose gesegelt und hatte intensiveren Kontakt zu den Einheimischen. Verlief dieser anfangs noch äußerst positiv und beide Seiten trieben regen Handel, so kehrte sich das jedoch bald ins Gegenteil um. Marion du Fresne hatte nämlich keinen Dolmetscher dabei. So ließen sich bei solch unterschiedlichen Kulturen Missverständnisse und Tabubrüche wohl kaum verhindern. Ein besonders schlimmes Vergehen (aus Sicht der Maori) führte dazu, dass du Fresne und 26 seiner Männer getötet wurden. Frankreich ließ bittere Rache walten, tötete im Gegenzug hunderte Maori und zerstörte ein ganzes Dorf.

Auch deshalb schienen die anfänglichen Beziehungen zu England besser zu sein als man vielleicht annehmen würde. Die Maori fürchteten nämlich selbst mehrere Jahrzehnte später weitere Vergeltungsschläge durch die Franzosen und versprachen sich Schutz durch die britische Krone.

Auch schrieben die örtlichen chiefs der Maori in einer bis dato beispiellosen gemeinsamen Aktion nach England und forderten, dass man sich dort bitte um Ruhe und Ordnung in der Gegend bemühen möge. Schließlich waren es vor allem Europäer, die Kororareka zum Sündenpfuhl hatten werden lassen. Deren schlechter Einfluss war inzwischen auch unter den Maori zu spüren. Daran änderten zunächst die Missionare ebenfalls nichts. Ganz im Gegenteil, durch ihre Bekehrungsversuche wurden die traditionellen Stammesstrukturen der Maori weiter zerrüttet.

Waitangi

Getrieben von dem Wunsch, in Neuseeland endlich klare Verhältnisse zu schaffen, aber auch von der moralischen Verpflichtung, die Maori vor dem schädlichen Einfluss der ansässigen Engländer zu schützen, entsandt die britische Krone 1833 James Busby. Dieser hatte die Aufgabe, einen Vertrag mit den Maori auszuhandeln. Ein beispielloses Vorgehen in der Geschichte der Kolonialisierung!

Busby ließ sich direkt neben Paihia in Waitangi nieder. Sieben Jahre später, am 06.  wurde hier der Vertrag von Waitangi unterzeichnet. Dieser Vertrag gilt auch heute noch als das Gründungsdokument Neuseelands. Damit ist dieser Ort die wichtigste historische Stätte des modernen Neuseelands.

Der Vertrag

Man mag sich fragen, warum die Maori überhaupt eingewilligt hatten, einen Vertrag zu unterschreiben, mit dem sie den Engländern Hoheit über ihr Land geben würden. Nun, zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass zum Zeitpunkt der Verhandlungen die Beziehungen zwischen den beiden Völkern noch recht gut waren. Man trieb viel Handel miteinander und das wollten beide Seiten gesichert und ausgebaut wissen.

Die Maori versprachen sich außerdem Schutz und Sicherheit durch die Krone. Zum einen Schutz vor jenen Engländern, die immer wieder Unruhe brachten. Zum anderen sollten so aber auch ihre Ansprüche auf Land, Selbstregierung etc. gesichert sein. Den meisten Maori-Anführern war klar, dass die Neuankömmlinge, die Pakehas, nicht wieder gehen würden und dass man sich daher besser mit ihnen arrangieren sollte.

Im Grunde klingt das nach einer guten Sache. Problematisch wurde es – und die Nachwirkungen sind bis heute zu spüren – weil der Vertrag in zwei Sprachen verfasst wurde. Die beiden Fassungen auf Maori und Englisch waren inhaltlich nicht ganz identisch. Insbesondere bei der Rolle der britischen Krone und bei den Regelungen im Bezug auf Besitz und Land gab es eklatante Unterschiede.

Illustration im Waitangi Museum: Only the shadow of the land goes to the Queen; the substance remains with us.Was anfangs noch gut ging führte nun schnell zu immer größeren Missverständnissen und Reibereien. Zwischenfälle reihten sich aneinander und das Misstrauen zwischen den Völkern wuchs. Die Maori fühlten sich (zu Recht) betrogen, die Engländer bestanden weiter auf dem, was im englischsprachigen Vertrag stand.

In der Folge kam es in den 1860er Jahren zu den sogenannten Landkriegen. Offiziell Frieden geschlossen wurde erst 1881 und bis heute protestieren viele (aber beileibe nicht alle!) Maori gegen das Abkommen und verlangen ihre vollen Besitzansprüche auf ihr Land zurück. Andere wiederum sehen in der offiziellen Entschuldigung von Queen Elizabeth II. (die immerhin erst 1995 gegeben wurde) eine gewisse Genugtuung und wollen lieber in die Zukunft blicken.

Waitangi Treaty Grounds

All das und noch viel, viel mehr haben wir in dem wirklich hervorragenden und ganz neu eröffneten Museum in Waitangi erfahren. Leider hatten wir nur noch drei Stunden, bevor das Gelände zumachte. Wir hätten leicht den ganzen Tag hier verbringen können.

Im Rahmen einer Führung und/oder auf eigene Faust lässt sich außerdem das Treaty House, in dem James Busby gewohnt und den Vertrag ausgehandelt hatte, besuchen. Gleich daneben steht ein geschnitztes Versammlungshaus der Maori. Und ein paar hundert Meter weiter kann man das weltgrößte Maori-Kriegskanu Ngatoki Matawhaorua bestaunen.

Im Versammlungshaus gab es nach der Führung außerdem eine Cultural Performance. Zu Beginn verließ ein Maori-Krieger das geschnitzte Haus und führte einen sehr beeindruckenden und auch einschüchternden Tanz auf. Wichtig war, dass die Besucher weder lachten, noch sich verängstigt zeigten. Am Ende wurde uns ein kleiner Zweig der Freundschaft überreicht. Anschließend begrüßte uns auch der Häuptling und forderte uns auf, nun das Haus zu betreten.

Im Inneren wurden wir durch verschiedene Epochen maorischer Musik und Kultur geführt. Das fand mit viel Stolz, aber auch viel Humor statt.

Generell bin ich kein großer Fan von solchen Vorstellungen, bei denen Touristen einheimische, garantiert authentische Tänze vorgeführt werden. Bei dieser aber hatte ich ein anderes Gefühl. Die Akteure waren mit zu viel Leidenschaft und Freude dabei. Auch unser Guide, selbst ebenfalls Maori, hatte auf meine diesbezügliche Frage nur positiv reagiert.

Und heute?

Nach so viel nicht ganz einfacher Geschichte vielleicht noch ein paar Worte zum Abschied. Denn ich möchte den heutigen Tag ungern mit einem Eindruck abschließen, der dem modernen Neuseeland so ganz und gar nicht gerecht wird.

Heute sind Maori und Pakeha zumindest offiziell gleichwertige Mitglieder der neuseeländischen Gesellschaft. Es gibt hier drei offizielle Sprachen: Maori, Englisch und Neuseeländische Gebärdensprache. Die Kultur der Maori wird aus unserer Sicht sehr respektvoll betrachtet und gepflegt. Die alten Ansprüche der Maori-Stämme werden individuell geprüft und wenn möglich gewährt. Maori und Pakeha sind in der Regierung vertreten. Die kostenfrei angebotenen Maori-Kurse sind so populär, dass es eine einjährige Warteliste gibt. Beide Völker leben in vielen Teilen neben- und miteinander und sind immer mehr miteinander verschmolzen.

Es ist vielleicht nicht perfekt, aber mir fällt kein Beispiel von gelungenerer Integration ein, ohne dass ein Volk oder eine Bevölkerungsgruppe seine Identität aufgeben musste.

4 Comments

  1. So wie es aussieht, war das Wetter bei euch an diesem Ort leider nur geringfügig besser als bei mir damals. Aber es ist wirklich das größte Stück Geschichte, was man in Neuseeland finden kann. Ich habe gehört, dass die Maori-Kultur dank des Tourismus überhaupt eine so starke Wiederbelebung erfahren hat, vielleicht haben sie deshalb auch eine positive Sicht auf diese Vorstellungen.

  2. Das ist einfach nur beeindruckend. Das Innere dieses Hauses ist unglaublich. Unwirkürlich fragt man sich, was die Darstellungen an den Wänden wohl bedeuten mögen? Und ihr mittendrin. Tolles Foto.

    Kirsten55
    1. Dieses Versammlungshaus ist ein ganz besonderes, da es nicht einen Stamm repräsentiert, sondern alle Stämme des Landes. Insofern stellt jede Säule einen anderen Stamm, eine andere Region dar. Das Haus wurde als Gemeinschaftsleistung dieser Stämme gebaut.

      Jan

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