Ganz im Norden

Ganz im Norden

Nach einem langen Tag an der Bay of Islands wollten wir abends trotzdem noch so weit wie möglich in den Norden kommen. Wir hatten uns einen kleinen Freedom Camping Platz ausgesucht, der direkt am Meer lag. Am Tokerau Beach gibt es ausreichend Platz für viele Camper und morgens weckt einen wieder so ein phantastischer Sonnenaufgang. Ehrlich, wir könnten uns daran gewöhnen, so aufzuwachen!

Auf dem Weg zu den Toiletten – je nach Stellplatz drei- bis sechshundert Meter den Strand hinab – sah ich am frühen Morgen sogar einen kleinen Seehund sitzen. Ein Einheimischer erzählte mir, das sei der erste Seehund, den er in zwölf Jahren an diesem Strand gesehen habe. (Wir machten uns ein wenig Sorgen, weil der Kleine so allein war. Aber offenbar lassen Seehund-Mütter ihren Nachwuchs auch einmal mehrere Tage an einem Strand zurück, um zu jagen. Am kommenden Tag war er jedenfalls verschwunden und wir gehen davon aus, dass er mit seiner Mama weitergezogen ist.)

The Far North

Unser heutiges Ziel war der nördlichste zugängliche Punkt Neuseelands, das Cape Reinga. Dieses liegt auf einer langen, schmalen Landzunge. Es gibt nur eine Straße hinauf und auch wieder hinab – wenn man nicht den Ninety Mile Beach hinzuzählt. Dieser sprichwörtlich 90 Meilen lange Strand an der Westküste (tatsächlich ist er „nur“ 64 Meilen, also 103 Kilometer lang) ist nämlich Teil des staatlichen Highway-Netzes.

Zwei Stunden vor und nach Ebbe lässt er sich wohl befahren, allerdings nur auf eigene Gefahr. Es gibt keine Versicherung in Neuseeland, die das Fahren auf Stränden abdeckt und das aus gutem Grund. Selbst mit Vierradantrieb bleiben alle naselang Autos im Sand stecken und viele müssen zurückgelassen werden. Die Flut ist zu schnell wieder zurück, als dass irgendein Abschlepp-Dienst rechtzeitig zur Stelle sein könnte. Einige wenige Touristen mögen noch Glück haben und von Einheimischen aus dem Sand gezogen werden.

Jan und ich gönnten uns den Spaß und fuhren zum einzigen Zugangspunkt, der auch für Zweiradantrieb geeignet sein soll. Wir warfen mal einen Blick auf den Strand und fühlten uns dann darin bestärkt, diesen Trip nicht zu machen. Das Risiko erschien uns die Sache einfach nicht wert.

Sandboarden auf neuseeländisch

Was wir stattdessen einige Kilometer weiter nördlich machten war Sandboarden. Nachdem wir in Peru schon so viel Spaß dabei hatten, wollten wir das auch hier ausprobieren. Kurz vor dem Cape Reinga gibt es riesige, über 120 Meter hohe Sanddünen, die man ganz hervorragend herunterschlittern kann.

Wir liehen uns von Rose, einer Angehörigen des Stammes, dem dieses Land gehört, ein Bodyboard und stapften los. Der Aufstieg auf die Dünen war ungefähr so anstrengend wie wir das noch aus Huacachina in Erinnerung hatten. Allerdings waren die Dünen dort noch etwas steiler gewesen. Aber nachdem wir hier in Te Paki die richtige Stelle gefunden hatten, waren wir doch ziemlich zügig unterwegs.

Wo zwei Meere aufeinander treffen

Nun aber schnell auf zum Cape Reinga, bevor es dunkel würde! Wir waren inzwischen doch etwas spät dran und beschlossen spontan, bis zum Sonnenuntergang an der Nordspitze zu bleiben.

Das Kap ist sowohl landschaftlich als auch für die Maori ein ganz besonderer Ort. Landschaftlich deshalb, weil hier zwei Meere quasi kollidieren: Von Westen kommt die Tasmansee, von Osten der Pazifik. Das führt zu interessanten Wasser- und Wellenbewegungen, wenn diese beiden Strömungen aufeinander treffen. Wellentäler und -berge verstärken oder negieren sich und immer wieder schießt irgendwo Wasser empor. Einen gigantischen Strudel, wie ich ihn halb erwartet hatte, gab es zwar nicht zu sehen, aber imposant ist das Ganze so oder so.

Für die Maori ist dies der Ort, an dem die Seelen der Verstorbenen ins Jenseits überwechseln. Zuvor sind sie die gesamte Länge des Ninety Mile Beach entlang gereist. Am Cape Reinga rutschen sie an den Wurzeln eines 800 Jahre alten Pohutukawa-Baumes, der sich dort entgegen aller Wahrscheinlichkeiten und unter schwierigsten Bedingungen an die Felsen klammert, ins Wasser. Fast 60 Kilometer vor der Küste Neuseelands tauchen sie noch einmal auf, um die höchste der drei „Three Kings“ genannten Inseln zu erklimmen. Von dort entschwinden sie dann ins Reich ihrer Vorfahren nach Hawaiki.

4 Comments

  1. Der kleine Seehund, so ganz allein an dem langen Strand, das ist schon ein rührendes Bild. Und dass ihr ausgerechnet in diesem Moment vorbei gekommen seid, um ihn zu entdecken…. Euer Frühstückstisch sieht sehr einladend aus, das muss toll sein, in so einer Umgebung da zu sitzen, den Kaffee zu genießen und sich umzuschauen.
    Sandsurfen scheint eine Lieblingsbeschäftigung zu werden, es sieht jedenfalls aus, als ob es unheimlich viel Spaß macht. Toll auch das Foto mit Blick durch das Brillenglas.

    Kirsten55
    1. Stimmt, wenn das Wetter mitspielt ist es einfach toll, draußen zu frühstücken. Im Camper geht das zwar auch, aber da ist die Aussicht lange nicht so gut.
      Sandsurfen macht schon Spaß, aber ich mag Wellensurfen noch ein bisschen mehr. Da ist die Landung auch nicht so hart.

    1. Stimmt, eine schöne, aber auch ein wenig beängstigende Vorstellung, das mit den Seelen.
      Beeindruckend fand ich auch diesen uralten Baum dort. Nur was passiert, wenn der doch irgendwann stirbt oder abbricht? Ist ja nicht die einfachste Position.

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