Huanchaco: ein bisschen Archäologie und ein bisschen Surfen

Huanchaco: ein bisschen Archäologie und ein bisschen Surfen

Endlich Küste! In Ecuador haben wir diese ja komplett links liegen gelassen, wenn man von unserem Ausflug zu den Galápagos-Inseln einmal absieht. Und in Kolumbien haben wir nur in Cartagena einmal kurz am Meer geschnuppert. Und das, obwohl man in Ecuador ganz hervorragend surfen können soll und in Kolumbien die Karibik-Strände locken. Aber so ist das halt, wenn man nicht noch viel, viel mehr Zeit zum Reisen hat als wir: Man kann einfach nicht alles sehen und alles machen. Wir müssen also so oder so noch einmal wiederkommen.

Verschlafenes Surferstädtchen

Ein bisschen davon wollten wir aber nun im Norden Perus nachholen. Hier gibt es zwar keine Traumstrände, aber zum Surfen soll es gut reichen. Also haben wir uns auf die lange Busfahrt mit vielen Zwischenstopps nach Huanchaco gemacht. Dieser Ort glänzt eigentlich mit nichts, außer einer Seebrücke, für deren Betreten alle Nichtbewohner Huanchacos bezahlen müssen, einem winzigen Markt (reicht für Obst und Gemüse, welches endlich wieder so richtig günstig ist) und besagten, eiskalten Surfwellen. Am Bekanntesten dürften neben dem Surfspot die „Schilfrohrpferdchen“ sein. Auf diesen caballitos de totora „reiten“ die Fischer aufs Meer hinaus. Ab und zu werden auch Touristen mitgenommen, was aber ziemlich albern aussieht. Diese Art des Fischfangs ist scheinbar schon über 2.000 Jahre alt.

Es geht in Huanchaco also ruhig und entspannt zu. Der Ort ist freundlich zu seinen Surfern, die barfuß, im Neoprenanzug und mit Surfboard unter dem Arm die Straßen von und zu den verschiedenen Hostels entlangwandern. Im Sommer kommen auch viele Peruaner, um hier Urlaub zu machen, aber jetzt setzt gerade der Winter ein. Das macht das Wasser noch ein wenig kälter und lässt den Ort noch ruhiger werden. Die Ceviche-Restaurants entlang der Strandpromenade machen sich teilweise nicht einmal mehr die Mühe, die Stühle vor das Gebäude zu räumen oder öffnen erst gar nicht.

Antike Großstadt

Auf halbem Weg zwischen Huanchaco und der nächsten größeren Stadt Trujillo liegen außerdem die Ruinen von Chan Chan. Diese fast komplett aus Lehmziegeln erbaute Stadt war nicht nur Hauptstadt der Chimú, sondern zu ihrer Blütezeit im 13. und 14. Jahrhundert auch mit 50.000 bis 80.000 Bewohnern die größte Stadt der Welt!

Da die gesamte Region Wüstenlandschaft ist (etwas, das wir bereits aus dem Bus heraus mit Staunen wahrgenommen hatten), legten die Chimú riesige Bewässerungsanlagen an. Des Weiteren verfügte die Stadt über einen Hafen und war damit ein bedeutendes Handelszentrum. Dann aber kamen die Inka, schnitten die Chimú von den Bewässerungsanlagen in den Bergen ab und zwangen sie in Gefangenschaft, Sklaverei oder Flucht. Später fielen dann die spanischen Konquistadoren über Südamerika her und der Rest ist Geschichte.

Dass von Chan Chan heute fast nur noch wie zerflossene Sandburgen aussehende Hügel übrig sind, liegt aber mehr noch an Wind und Wetter. Vor allem der extrem starke El Niño von 1997/1998 zerstörte mit seinen sintflutartigen Regenfällen große Teile der Anlage. Und auch 2010 kam es wieder zu starkem Regen.

Palacio Tschudi

Glücklicherweise waren damals bereits einige Sektoren durch Überdachungen geschützt, so dass man heute zumindest einen Eindruck von der Größe und der Architektur bekommen kann. Am besten erhalten (und heute beinahe synonym mit Chan Chan) ist der Palacio Tschudi, den wir gleich am ersten Tag besuchten. Dieser Stadtteil diente vermutlich zeremoniellen und kommerziellen Zwecken, aber auch Vorratsläger, eine Zisterne und ein Friedhof könnten hier angelegt worden sein. So ganz genau ist das ja nicht immer zu eruieren.

Wir jedenfalls waren überrascht von der Ästhetik der Anlage, den vielen filigranen Ornamenten – darunter Fische, Pelikane und etwas, das aussieht, als kannten schon die Chimú Pacman.

Ähnlich absurd erscheint daneben der Peruanische Nackthund. Diese Rasse gibt es ebenfalls seit über 2.000 Jahren und ihr drohte bereits das Aus, weil offenbar niemand diese Hunde halten wollte. (Ich frage mich, warum…) Kurzerhand machte man den Hund deshalb zum nationalen Kulturerbe und forderte, dass jede staatlich geführte touristische Einrichtung mindestens einen Nackthund als Wachtier halten müsse. So war der Hund gerettet und wir können uns rund um Ruinen, Museen und ähnlichem entscheiden, ob wir sie einfach nur hässlich oder bemitleidenswert oder so hässlich, dass sie schon wieder niedlich sind, finden wollen.

Huacas del Sol y Luna

Rund um Chan Chan gab es verschiedene Huacas, was die Bezeichnung für heilige Orte, beispielsweise Berge oder Felsen, ist. Zwei besonders eindrucksvolle sind die Huacas del Sol y Luna, die wir ein paar Tage später besuchten. Es handelt sich um Tempel, die bereits vom Vorgängervolk der Chimú, den Mochichas gebaut wurden.

Beide Tempel wurden (natürlich, muss man leider sagen) zuerst von Grabräubern „entdeckt“, bevor vor erst etwa 20 Jahren Ausgrabungsarbeiten beginnen konnten. Tatsächlich wusste man wohl schon viel länger, dass die Pyramiden dort unter dem Wüstensand schlummerten, aber die finanziellen Mittel waren vorher einfach nicht vorhanden. Die größere Sonnenpyramide kann derzeit noch nicht besichtigt werden. Hier haben die Ausgrabungsarbeiten noch nicht einmal begonnen. Wenigstens ist aber das Gelände inzwischen abgesperrt.

Die Mondpyramide hingegen ist mit Führer zugänglich und war noch einmal so ein kleines Highlight für uns. Zum Einen sind hier sogar noch gemalte Fresken erhalten, zum Anderen ist die Bauweise ganz faszinierend: Alle hundert Jahre oder so wurde nämlich der alte Tempel komplett mit Lehmziegeln gefüllt – jeder Torbogen, jede Kammer, jede riesige Halle – und darüber ein neuer gebaut. Dieser neue Tempel war nicht nur höher, da er ja den alten als Fundament nutzte, sondern auch im Grundriss breiter, da er den alten Tempel komplett zu allen Seiten umschloss. So ähnlich wie eine riesige Matrjoschka.

An einer Stelle, an der die Grabräuber durch die Außenmauern brachen, kann man hinter der außenliegenden Wand noch die nächste, ältere Wand darunter sehen, ebenfalls kunstvoll bemalt. Wegen dieser Durchbrüche weiß man auch, dass es insgesamt fünf Tempel gab, wobei man vom jüngsten nur noch die Grundrisse sehen kann, alles andere ist abgetragen. An anderen Stellen kann man aber zumindest bis hinunter zum dritten Tempel schauen. Wie dieser und die darunter liegenden jedoch ausgehen haben, das wird wohl immer ein Mysterium bleiben. Denn um diese freizulegen, müsste man ja die darüber liegenden zerstören.

Warum die Mochicha so vorgingen, weiß man nicht. Dafür jedoch lassen sich aus den erhaltenen Malereien auf Tongefäßen, Wänden etc. allerlei Rückschlüsse auf ihre Lebensweise und Kultur ziehen. Entgegen anderer (prä-)kolumbianischer Kulturen überlieferten die Mochicha nämlich nur mittels Bildern und hatten keine Schrift. So haben wir auf unserem Rundgang auch von den rituellen Menschenopfern und dem offenbar einzigen Gott der Mochicha (der eigentlich ganz freundlich aussah) erfahren.

Platt statt Surfen

Zwischen unseren archäologischen Expeditionen wollten wir außerdem die Wellen vom Huanchaco testen, und zwar das erste Mal ohne Surflehrer! Vom Ufer aus sah das ganz gut machbar aus, wenn man sich in der Bucht rechts von der Seebrücke hielt.

Dummerweise legte mich mein Magen gleich zu Anfang flach, so dass wir zwei Tage nicht nur zum Nichtstun verdammt waren, sondern unseren Aufenthalt in Huanchaco auch gleich verlängerten. Wenigstens habe ich den besten Reisegefährten der Welt an meiner Seite, der so etwas mit großer Ruhe und Fürsorglichkeit beantwortet.

Dass wir mit unserem Hostel und den Leuten dort wieder viel Glück hatten, war ebenfalls nicht zu verachten. Ich glaube, wir haben uns bisher nirgends so sehr in einer Gemeinschaft gefühlt wie hier und dabei könnte ich gar nicht sagen, woran das genau lag. Vielleicht einfach daran, dass alle so entspannt waren und man abends meist zusammen im Gemeinschaftsraum oder der Küche abhing und plauderte. Außerdem fangen wir nun langsam an, manche Reisende auf diesem „Gringo-Trail“ wiederzutreffen. In irgendeinem Hostel läuft man sich automatisch wieder über den Weg und dann ist es immer wieder schön, bekannte Gesichter zu sehen.

Hier im ATMA Hostel beispielsweise sahen wir Ben aus Australien wieder, dem wir bestimmt später noch einmal begegnen werden. Wir haben uns mit Sebastian aus Deutschland angefreundet, mit dem wir später nach Huaraz weitergereist sind. Und wir haben neben vielen anderen lieben Menschen Abi aus England und den Niederlanden kennengelernt, mit der wir auch die peruanische Grenze überquerten.

Ein paar Wellen

Jede Krankheit geht glücklicherweise irgendwann zu Ende und da ich Jan seit Tagen damit in den Ohren lag, dass wir unbedingt endlich einmal wieder surfen müssen, nahmen wir das an unserem allerletzten Tag, ein paar Stunden, bevor unser Nachtbus Richtung Süden gehen sollte, auch endlich in Angriff. (Wir hatten uns am zweiten Abend schon Surfboards geliehen, die wir dann aber zurückbringen mussten, als ich es morgens nicht aus dem Bett geschafft hatte.)

Gesagt, getan und beide Schweinehunde mehrfach niedergeknüppelt zwängten wir uns in die geliehenen Neoprenanzüge, klemmten uns die Boards unter den Arm und schlichen zum Ufer. Sebastian hatten wir gleich mit eingepackt.

Tja, was soll ich sagen? Außer Paddeln nichts gewesen? So ähnlich lief es bei mir zumindest. Zweimal angetäuscht, aber nicht die richtige Welle erwischt (bzw. nicht schnell genug gepaddelt) und ansonsten hübsch auf dem Board nach links und rechts, immer den Wellen hinterher, aber irgendwie war ich doch nie an der richtigen Stelle.

Trotzdem, gelohnt hat es sich selbst für mich! Ich kann endlich sagen, ich hätte in Südamerika gesurft (naja…), wir waren das erste Mal alleine im Wasser und der Schweinehund kann jetzt bitte auch in seiner Höhle bleiben. Bei nächster Gelegenheit geht es wieder aufs Board. Das wäre doch gelacht, wenn ich während unserer Reise nicht einmal eine Welle erwischen würde.

Jan übrigens hat fleißig weitergekämpft, bis er dann doch noch mit seiner letzten Welle an den Strand surfte. Am Ende war er mir nicht einmal mehr böse, dass ich so lange genervt habe, dass wir raus in die Wellen müssen.

10 Comments

  1. Das tut mir leid, dass es dich doch erwischt hat mit Magenproblemen. Vielleicht doch das Wasser? In der nächsten Apotheke Pepto-Bismol besorgen (bekommt man auch in Südamerika) und Chlortabletten. Wasser sollte man doch fünf Minuten abkochen und in Flaschen füllen für den Tag. Obst und Salat vielleicht doch nicht von Ständen auf dem Markt kaufen, oder in preiswerten Restaurants, das ist es dann nicht wert. Autsch, das war wieder typisch Mutter, sorry.
    Ich hoffe, es passiert dir nun nie wieder auf der ganzen Reise. Daumen drück.

    Die Fotos sind wieder so gut, gepaart mit dem Text bekommt man so viele Informationen, es ist so spannend zu lesen, ich freue mich jedes Mal, wenn ich etwas Neues hier sehe. Dieser Tempel, oder vielmehr diese Tempel, einer auf dem andren gebaut, wie faszinierend. Diese Stelle muss genau die richtige gewesen sein, aus welchem Grund auch immer, so dass immer wieder genau dort gebaut wurde. Die Fresken (oder Wandmalereien, ich kann nicht erkennen, ob es Fresken sind) sind wunderschön und waren offenbar einmal strahlend farbig. Diese “Waben”, was war das einmal? Ich schaue drauf und staune nur noch.

    Kirsten55
    1. Hallo Mama,

      stimmt, das war typisch Mutter 😉 Keine Sorge, die wichtigsten Vorsichtsmaßnahmen befolgen wir, aber vom Streetfood wird uns keiner abbringen. Dass es uns irgendwann einmal mit Magen oder ähnlichem erwischen würde, war uns ja von vornherein klar. Jetzt sind wir beide einmal durch damit und dann sollte es das bitte für Südamerika auch gewesen sein. Bisher jedenfalls geht es uns gut.

      Wie schön, wenn die Kombination Fotos und Text Dir gefallen. So haben wir uns das auch vorgestellt. 🙂

      Wie gesagt weiß man nicht, warum die Mochichas den Tempel immer wieder überbaut haben. Vielleicht hatte es auch mit neuen Machtverhältnissen zu tun?
      Bei den Wandmalereien handelt es sich sowohl um bemalte Fresken als auch um “einfache” Malereien. Und diese Waben scheinen Raumtrenner zu sein. Jedenfalls hatten sie wohl mehr ornamentalen Charakter als irgendeine Funktion. Ob sie bemalt waren, kann man auch nicht mehr sagen. In Chan Chan ist von den Wandverzierungen ja nicht mehr viel zu sehen.

  2. Oh und die kleinen Figuren an der Wand, was immer sie darstellen sollen, ich finde sie bezaubernd und würde mir die auch glatt an die Wand hängen. Die Boote habe ich schon mal in einer Sendung gesehen, wie sie gebaut werden (komplizierter, als es am Ende aussieht), aber wie die dann halten, das ist schon erstaunlich. Nur die Hunde, naja, sie tun mir eigentlich leid. Im Winter ist ihnen ständig kalt und im Sommer eigentlich immer zu warm.

    Kirsten55
  3. Clever gelöst, das mit den Hunden. Auch wenn sich sicher nicht alle Einrichtungen über diese Regelung freuen…
    Ich hoffe, dass es keinen von euch mehr mit Magen erwischt. Das klaut zu viel Zeit. 😉
    Genießt eure Ruinen. Wow, so viel Kultur!

    1. Wahrscheinlich hast Du recht: Das mit den Nackthunden ist sicher nicht überall auf Begeisterung gestoßen. Zumal es ja eigentlich auch genug Streuner hier gibt. Aber gut, jetzt sind sie halt peruanisches Kulturgut…

      Stimmt. Das ist der andere Aspekt, wenn man krank ist. Diesmal hatten wir wenigstens etwas Glück und wir saßen ein paar Tage länger als geplant in einem wirklich angenehmen Hostel fest. Es gibt ja auch manchmal weniger tolle Unterkünfte. Aber auch diese Hostel-Lotterie gehört zum Reisen dazu.

  4. Großartig diese Ausgrabungen von Chan Chan! Vielleicht ist es sogar gut,daß diese nicht so sehr bekannt wurden,sonst hätten diese kunstvollen Bauten noch mehr gelitten. Bin sehr froh,daß es Dir,Maria,wieder besser geht. Alles Gute und bleibt gesund und fröhlich! Oma

    Oma
    1. Das machen wir, liebe Omi. Und inzwischen geht es uns beiden auch wieder richtig gut.
      Bei den Ruinen vom Chan Chan hatten Wind und Wetter ausnahmsweise mal den größeren Anteil an der Zerstörung. Auf der anderen Seite, wären sie den Naturgewalten nie ausgesetzt gewesen, wenn Menschen sie nicht ausgegraben hätten. In welchem Fall wir sie wiederum gar nicht zu Gesicht bekommen würden. So hat alles immer mindestens zwei Seiten…

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