Lima

Lima

Wenn wir etwas aus unserem Faux-Pas mit Minca gelernt haben, dann, dass wir ein Kontrastprogramm brauchen, nachdem wir viel Zeit auf Trecks verbracht haben. Obwohl wir im Vorfeld viel Schlechtes über Lima gehört hatten (zu groß, grau, laut, voll), freuten wir uns deshalb auf die Hauptstadt Perus. Immerhin lagen nun bereits sechs Tage Trekking in unglaublicher Landschaft hinter uns. Und so wunderschön diese Erlebnisse auch waren, wir brauchten jetzt ein bisschen Stadtluft (und eine warme Dusche).

Lima liegt an einer Steilküste am pazifischen Ozean und bietet während des Küstenwinters von April bis November dazu passend meist trist-trübes, gerne regnerisches Wetter. Über 10 Millionen Einwohner nehmen es gelassen und freuen sich über den kurzen, aber wohl sonnenreichen Sommer. Tatsächlich hatten wir auch während unserer zwei Tage Aufenthalt viel Glück und konnten den einen oder anderen Sonnenstrahl genießen.

Lima zu Fuß

In Lima haben wir auch unsere Freunde aus Huanchaco und Huaraz wiedergetroffen: Sebastian, Lea und Carina. Während erstere sich noch von Infekten erholten, erkundeten wir mit Carina die Stadt. Ohne großen Plan schlossen wir uns zunächst einer Walking Tour durchs historische Zentrum an. Dieses ist insgesamt nicht besonders groß, aber doch sehr schön anzusehen.

Am Plaza Mayor sahen wir einen Teil der täglich stattfindenden Wachablösung vor dem Regierungspalast. Die Peruaner scheinen nicht all zu viel von ihrem Militär zu halten. Sie sagen, dass diese tägliche Show das einzige sei, was ihre Armee zu tun habe. Peru befindet sich nicht in irgendwelchen militärischen Konflikten und alle anderen Aufgaben werden von der Polizei übernommen – inklusive der eigentlichen Bewachung des Palastes. Dreh- und Angelpunkt ist während des Wachwechsels dann auch die Blaskapelle. Diese spielt dabei einen bunten Mix aus traditionellen peruanischen Liedern, internationalen Evergreens und modernen Chartstürmern.

Gleich um die Ecke befinden sich in einem ehemaligen Bahnhof die Casa de la Literatura Peruana und die Biblioteca Mario Vargas Llosa. Unter einem farbenfrohen Art-déco-Glasdach befindet sich der Lesesaal und Schautafeln informieren über das Leben dieses wichtigsten Schriftstellers Perus.

Harry Potter hat in Peru gelernt

Unser persönliches Highlight war jedoch unser Besuch des Konvents San Francisco und der darunter liegenden Katakomben. Die dazugehörige Kirche gehört zum UNESCO Weltkulturerbe, aber die eigentlichen Schätze lagen (für uns zumindest) im Kloster. Geführt wurden wir von einem sehr engagierten Touristenführer, dessen Kausalketten jedoch ab und zu Lücken aufwiesen. („Das Holz für die Decke wurde aus Zentralamerika importiert, nicht aus Südamerika. Wegen der tropischen Krankheiten.“) Da er das aber durch so viel Begeisterung wettmachte, konnten wir uns eigentlich nur amüsieren und hatten viel zu lachen.

Kirche und Kloster wurden nach verschiedenen Erdbeben, die die große Plage dieser Region sind im Barockstil Ende des 17. Jahrhunderts wiederaufgebaut. Ganz besonders stolz ist man darauf, dass die Gebäude seitdem absolut erdbebensicher zu sein scheinen. Zumindest stürzte in all der Zeit lediglich die Decke eines einzigen Raumes ein. Die alte Bibliothek der Franziskanermönche war für uns aber noch beeindruckender. Hier fühlt man sich direkt nach Hogwarts versetzt. Und auch, wenn fotografieren eigentlich streng verboten ist, wollten wir euch einen kleinen Eindruck davon nicht vorenthalten.

Die Katakomben unter Kirche und Kloster wurden erst in den 1950er Jahren wiederentdeckt. Die Ausgrabungsarbeiten dauern heute noch fort und werden wohl nicht gänzlich abgeschlossen sein. Diese Tunnelkomplexe sind über 300 Jahre alt und sollen die Überreste von über 70.000 Toten beherbergen. Während die Mönche des Klosters und hohe Würdenträger noch Einzelgräber erhielten, durchliefen die sterblichen Überreste der meisten Menschen, die hier bestattet wurden, einem komplexen und auf maximale Effizienz ausgelegtes Logistiksystem. So wurden die Leichen zunächst einer beschleunigten Verwesung unterzogen, um die Knochen dann möglichst platzsparend und ziemlich durcheinander in den Katakomben zu stapeln. Erstaunlicherweise scheint es trotzdem so etwas wie Ordnung dabei gegeben zu haben. So fand man Kammern, in denen nur Kinder bestattet wurden. Und in den Räumen direkt unter den Seitenaltären der darüberliegenden Kirche wurden die Menschen nach ihrem Beruf begraben: Ein jeder unter seinem Schutzheiligen.

Auf nach Barranco

Etwas weniger düster ging es am kommenden Tag los. Wir wollten, wieder zu dritt, das Szeneviertel Barranco erkunden und auf dem Weg dorthin am Malécon, also der Straße am Meer, entlangspazieren. Die bereits erwähnte Steilküste, die danebenliegende, mehrspurige Straße, diverse Baustellen und der steinige Strand machen diesen wie in so vielen Städten nicht unbedingt zu einem Ort, an dem man sein Handtuch ausbreiten will. Und trotzdem gab es auch hier einiges zu sehen; nicht zuletzt die Surfer, die ihr Glück in den Wellen versuchten, und einige Gebäude, die sich noch nicht vom letzten Tsunami erholt zu haben schienen.

Endlich auf der Höhe Barrancos angekommen, führte unser Weg treppauf hinein in die Stadt. Und schon wieder erwartete uns ein neues Gesicht Limas: Nette, liebevolle Cafés und zu meiner großen Freude und Überraschung ganz viel phantastische Streetart. An jeder Ecke gab es Neues und Interessantes zu entdecken. Der Streetartkünstler Jade Rivera hat ein eigenes, kleines Atelier, in das man hereinschauen kann, und in einer alten, ausrangierten Standbahnstation gab es eine Ausstellung südamerikanischer Künstler zur Flüchtlingskrise. Daneben zeugen viele, viele Galerien und Museen für moderne Kunst davon, dass Barranco ein echtes Künstlerviertel ist.

In die Museen haben wir uns zwar aufgrund der teilweise hohen Eintrittspreise nicht gewagt, aber eine Gratisausstellung mit neonfarbenen Wassermelonen und Darth Vaders haben wir gesehen, sowie die Freiluftausstellung über Raumkonzepte. Jan, Carina und ich waren zwar sehr unterschiedlicher Meinung, was den künstlerischen Wert speziell der Wassermelonen betraf, aber irgendwie geht es bei Kunst ja auch darum, darüber diskutieren zu dürfen.

Foodporn

So viel Kultur kann hungrig machen. Glücklicherweise ist Lima auch die kulinarische Hauptstadt Perus (wenn nicht sogar ganz Südamerikas!) Auch wenn wir keine japanischen Gerichte gefunden haben, für die Lima berühmt ist, haben wir richtig geschlemmt, und das für gar nicht viel Geld. Wir hatten Chinesisch (ein weiterer Favorit hier in der Gegend), vegetarische Kichererbsenhamburger und Tacos, Curry, Spinatcremesuppe, Ceviche (geht immer und ist immer unglaublich lecker), Huhn, Schwein, Rind in verschiedensten Ausführungen und das beste Eis Limas, welches vielleicht sogar das beste Schokoladeneis ist, das ich je gegessen habe.

Miraflores: Katzen mit Open-Air-Konzert

Zurück in dem Stadtteil, in dem sich die mit Abstand meisten Hostels und Touristenbars befinden, musste ich darauf bestehen, noch einen Abstecher zum Parque Kennedy zu machen. Dieser kleine Park wäre an sich nicht besonders bemerkenswert, wären da nicht dutzende Katzen, die ihn zu ihrem Zuhause gemacht haben. Niemand weiß, warum die Tiere vor einigen Jahren hier auftauchten, aber da es sich die Anwohner zur Aufgabe gemacht haben, für sie zu sorgen, sie zu füttern und wenn notwendig sogar zum Tierarzt zu bringen, werden sie wohl so bald nicht verschwinden. Selbst einen kleinen Nachbarschaftsverein gibt es inzwischen. Dieser vermittelt die Katzen weiter, denn auch an Neuankömmlingen scheint es nicht zu mangeln, obwohl das Aussetzen von Haustieren hier mit über 4.000 Soles (mehr als 1.000 €) geahndet wird.

Völlig überraschend stolperten wir dort über ein Open-Air-Rockkonzert, bei dem verschiedene lokale Bands auftraten. Das Ganze hatte etwas von einer offenen Bühne oder einem Impromptu-Konzert im Berliner Mauerpark, wurde aber wohl von einem Radiosender organisiert. Die Bands (und zu unserem Leidwesen auch die Tontechniker) waren von sehr unterschiedlicher Qualität. Aber die Atmosphäre und der zurückliegende Tag waren so toll, dass wir bis zum Ende dablieben und mittreiben ließen und uns erst spät mit einem Streetfood-Sandwich auf der Hand zu unseren jeweiligen Unterkünften aufmachten.

Was also bleibt uns von Lima? Vor allem ganz viele tolle Eindrücke, die uns umso mehr überraschten, als wir eigentlich mit dem genauen Gegenteil gerechnet hatten. Und der leise Verdacht, dass wir vielleicht gerade die interessanteste Hauptstadt Südamerikas besucht haben.

8 Comments

  1. Danke wieder einmal für all diese tollen Fotos. Die Bibliothek, dieser symmetrische Raum mit den vielen Folianten und diesen wunderschönen Regalen, ja, das könnte in Hogwarts sein ?. Die streetart Bilder finde ich sehr beeindruckend, so etwas hätte ich hier auch gern mal an einer Wand gesehen. Und dann ist da noch der Ururenkel von Mecki, schlafend, in Lima……….?

    Kirsten55
    1. Maria könnte sich an der Streetart tatsächlich nicht satt sehen. Schade, dass diese Szene in Deutschland nach wie vor von den Schmierern dominiert wird. Einen größeren Anteil von wirklich künstlerischer Streetart fänd ich sehr wünschenswert.

      Jan
  2. Ein Stadtpark den Katzen zu ihrer Heimat auserkoren haben? Ist ja cool *_*
    Schön, dass ihr ein bisschen Kultur nach so viel Natur genießen konntet.
    Wie schmeckt das Essen? Kochen sie scharf?
    (Ich bin in Korea im Land des Chillis gelandet und …sagen wir es so: ich bekomme wahrscheinlich das wieder runter, was ich in Japan und Thailand angefressen habe.)

    1. Ich hatte das Gefühl, dass Jan meine Begeisterung für den “Katzenpark” nicht ganz versteht, aber ich wusste, dass seine Schwester verstehen würde, warum ich gleich vier Fotos in den Beitrag bringen musste. ?

      Das Essen ist hier meist erstaunlich mild, nur die Soßen sind häufig extrem scharf. Und die Chilis, ja, die haben es auch in sich. Hier gibt es sogar Paprika, die scharf ist wie Chilis. Da sind wir schon ordentlich drauf reingefallen… Aber wozu ist Reisen da, wenn nicht auch, um neues, leckeres Essen zu probieren?! (Egal was die Waage sagt!)

  3. Großartig dein Bericht über eure Andentour Jan! Ich bin ganz begeistert,hoffe aber,daß Ihr euch in Lima nun auch etwas erholen könnt von diesen Strapazen! Dir,Maria,auch herzlichen Dank für den sehr interessanten Lima-Bericht! Roland ist gerade bei mir und so lesen und schauen wir gemeinsam. Habt weiter so eine tolle Zeit und bleibt gesund!!! Oma

    Oma
    1. In Lima hatten wir tatsächlich ein kleines bisschen Zeit um einfach mal Luft zu holen und den müden Muskeln eine verdiente Ruhepause zu gönnen.

      Wie schön, dass der Bericht Dir so gut gefällt.

      Liebe Grüße an dieser Stelle natürlich auch an Roland.

      Jan
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