New Norcia: viel Kloster

New Norcia: viel Kloster

Ein, zwei sehenswerte Orte an der Westküste Australiens hatten wir uns für den Rückweg von Exmouth nach Perth aufgehoben. Der Weg wäre sonst doch zu lang und warm und bewegungsarm geworden.

Einer dieser Orte war New Norcia. Dieses etwas weiter landeinwärts und nur gut 130 Kilometer nördlich von Perth gelegene Örtchen rühmt sich, Australiens einzige Klosterstadt zu sein. Während wir die Bezeichnung „Stadt“ durchaus anfechtbar finden, lässt sich an den klösterlichen Wurzeln nicht rütteln.

Das Benediktinerkloster, gegründet 1847 und heute noch immer als solches genutzt, prägt ganz unverkennbar diesen Ort. Weitere Gebäude wie zwei Colleges (eins für Mädchen, eins für Jungen, beide heute nur noch sporadisch als Schullandheime geöffnet), ein Gästehaus und ein Hotel befinden oder befanden sich im Besitz der Mönche. Sie alle sind genau wie Kloster und Kirche im spanischen Stil erbaut. Das gibt dem gesamten Örtchen ein gewisses andalusisches Flair, das durchaus zur rötlich-goldenen, kargen und heißen Umgebung passte.

(Und „heiß“ ist durchaus nicht übertrieben. Wir fuhren auf dem Weg nach New Norcia sogar an unserem ersten und hoffentlich einzigen Buschfeuer vorbei.)

Schönes …

Auch wenn in New Norcia vormittägliche Stadtrundgänge angeboten werden, entschieden wir uns lieber für die nachmittägliche Erkundung auf eigene Faust. Dieses Vorhaben wurde erheblich erleichtert durch all die Hinweistafeln, die an wirklich jedem noch so kleinen Gebäude standen. Vermutlich haben wir so mehr über die Geschichte der Stadt erfahren als bei der Führung.

Rings um uns gaben schwarze und weiße Kakadus ein lautstarkes Konzert, während sie so langsam ihre Bäume für die Nacht in Beschlag nahmen. Derweil schlenderten wir entlang des winzigen, vertrockneten Flüsschens, welches nichtsdestotrotz ein wichtiger Transportweg und eine Wasserquelle für die Mönche war. Diese betrieben und betreiben natürlich einiges an Landwirtschaft und leben auch heute noch (neben den touristischen Einnahmen, vermuten wir) vom Verkauf allerlei selbstgebackenen Brotes.

Letztes wird aber ebenfalls zum größten Teil an Besucher gehen. Denn abgesehen von den unverkennbar klösterlichen und klosterzugehörigen Gebäuden sahen wir keine „normalen“ Wohnhäuser. Es sah jedenfalls nicht so aus, als habe New Norcia viel mehr Einwohner als die zehn hier noch lebenden Mönche und einige Angestellte des Hotels und des Informationszentrums.

So erliefen wir uns nach und nach den Ort. Auf der einen Seite waren wir sehr angetan von der Architektur und der friedlichen, beinahe schläfrigen Atmosphäre.

… und Finsteres

Auf der anderen Seite ließen uns einige Aspekte der Klostergeschichte auch die Stirn runzeln. So lasen wir beispielsweise von den kleinen Hütten, die quasi ein „Aborigine-Dorf“ gebildet hatten. Hier sollten indigene, zum Christentum konvertierte Menschen leben. Als Gegenleistung arbeiteten sie für das Kloster, bis sie sich und ihre Familien aus eigener Kraft ernähren konnten. Danach mussten sie quasi als Pacht lediglich ein gewisses Maß an Arbeitskraft zur Verfügung stellen und ein europäisch geprägtes, gottesfürchtiges Leben führen.

An sich klang das alles nicht so schlecht. New Norcia schien auch sehr stolz auf diese Häuser und die darin lebenden Familien zu sein. Trotzdem hinterließen diese Schilderungen bei uns einen schlechten Beigeschmack. Zu sehr klang das nach nur einem weiteren Beispiel von Enteignung, Assimilierung und Entwurzelung der indigenen Bevölkerung in Australien. Und das wurde hier ganz ohne schlechtes Gewissen dokumentiert, ohne ein einziges Wort der Entschuldigung oder zumindest die andernorts obligatorische Anerkennung der Aborigines als ursprüngliche Eigner des Landes.

Vielleicht sind wir für diese Feinheiten nur deshalb so sensibilisiert, weil wir in Neuseeland einen ganz anderen Umgang mit der indigenen Bevölkerung erfahren haben. Dort sind die Maori überall präsent und ihre Kultur und Sprache werden aktiv gefördert und in den Alltag der Menschen integriert. Das Miteinander der verschiedenen Bevölkerungsgruppen ist (wenn auch vielerorts immer noch problematisch) von deutlich mehr Respekt geprägt. Australien scheint da noch vieles aufzuholen zu haben.

6 Comments

  1. Interessantes Örtchen. Wahrscheinlich hat aber bei den Erzählungen kein einziger zumindest teilweise Aborigine-Stämmiger mitgeschrieben. Wer weiß, wie diese Leute damals behandelt wurden (heutzutage ist es ja auch nicht rosig). Sowas hinterlässt definitiv immer einen schlechten Beigeschmack.

    1. Das ist auch unsere Vermutung. Es wird ein wenig ein Schleier des unschuldigen Schweigens über die unschöne Seite des ganzen gelegt. Leider passiert das in Australien gefühlt viel zu häufig.

      Jan
  2. Das ist schon ein schönes Gebäude ,dieses Kloster. Ganz unerwartet in dieser Bauweise in Australien.
    Aber was ist mit dem Baum passiert? Ist der am Boden weiter gewachsen? Oder festgewachsen? Das sieht zumindest so aus.

    Kirsten55
    1. Diese Zypressen werden ganz schön vom ständig wehenden Wind gebeutelt. Spätestens ab dem Mittag fängt es fast jeden Tag richtig zu winden an, weil das Land sich dann so aufgeheizt hat. Die Bäume werden daher alle in eine Richtung gepresst und der eine oder andere zieht es dann vor, eher horizontal am Boden entlang zu wachsen, als sich die Mühe zu machen, gen Himmel zu streben. Das klappt nämlich sowieso nicht. Die Zypressen scheinen damit aber ganz gut klar zu kommen und ich vermute, dass es die lokale Fauna auch nicht so schlecht findet, etwas mehr Schatten an Grund zu haben.

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