Villa de Leyva

Villa de Leyva

So faszinierend und abwechslungsreich Bogotá auch sein mag – wir fanden die Stadt dann doch zu anstregend und insgesamt nicht besonders schön. Ich war nach drei Tagen ziemlich gestresst und überfordert. Jan hat das zwar mit bewundernswerten Geduld ertragen, aber es war Zeit, Hernán fürs Erste adios zu sagen und die Stadt zu verlassen.

Unser Ziel: Das kleine Örtchen Villa de Leyva, welches bereits in den 1950er Jahren quasi unter generalen Denkmalschutz gestellt wurde und daher immer noch koloniales Flair atmet und vor allem nicht durch Bausünden verschandelt wurde. Welch Erholung nach Bogotá! Da kommen wir nach zweieinhalb Stunden Busfahrt am Busterminal von Villa de Leyva an und es reden nicht mehrere Menschen gleichzeitig auf uns ein. Niemand rempelt uns an. Eigentlich werden wir fast gar nicht beachtet. Auf dem kleinen Platz vor dem Terminal sind nur wenige Menschen zu sehen und von irgendwo werden wir mit leichter, kolumbianischer Musik begrüßt.

Unsere Herbergsmutter Carmen holt uns sogar vom Bus ab und schon auf dem kurzen Weg zu unserer Unterkunft haben wir das Gefühl, durch ein kolumbianisches Bilderbuch zu wandeln. Ich bin augenblicklich zufrieden, entspannt und glücklich. Und dann erst das Haus, in welchem wir die nächsten drei Nächte verbringen werden! Solch liebevolle Einrichtung und dann gibt es sogar Hängematten, die einen zwischen wunderbaren Blüten und stilvollem Patio wiegen. In der Küche kann Jan seiner Kochleidenschaft nachgehen, die sich beim Anblick des lokalen Marktes lautstark gemeldet hat.

Nach einem Kaffee, den uns Carmen liebenswerterweise gemacht hat, erkunden wir das Dörfchen und verlieben uns mit jeder kopfsteingepflasterten Gasse, jedem balkonverzierten, terracottagedeckten Häuschen, blütenüberwucherten Mäuerchen mehr in Villa de Leyva. Und als wäre das noch nicht genug, thronen im Hintergrund die Anden und überwältigen mich einfach mit ihrer majestätischen Schönheit.

Ausflug per Fahrrad

Schnell ist klar, dass wir die Zeit hier nicht damit verbringen werden, von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit zu hetzen. Wir wollen die Landschaft und die Atmosphäre genießen und ein bisschen durchatmen. Wir müssen in unserer Weltreise ankommen. Daher mieteten wir uns am kommenden Tag zwei Fahrräder und starteten Richtung Westen. (Tipp: Bei allen Fahrradverleihen, an denen man so vorbeikommt, mal nach dem Preis fragen. Die schwankten nämlich zwischen 4.000 COP und 9.000 COP pro Stunde. Für 5.000 COP, also ca. 1,50 € pro Stunde und Rad haben wir schließlich zwei fahrbare Untersätze bekommen, denen wir unseren Tagesausflug zutrauten. Die ganz günstigen mussten wir nämlich nach zehn Minuten zurückbringen, weil sie auf dem Kopfsteinpflaster fast auseinander fielen.)

In der Umgebung von Villa de Leyva gibt es natürlich einige Ausflugsziele. Zwei davon haben wir uns als Wegpunkte ausgesucht, da sie mehr oder weniger in Richtung eines Geocaches liegen, den wir gerne heben wollten.

Casa Terracota

Das Casa Terracota ist ein verrücktes Haus aus Ton, welches keiner architektonischen Regel zu folgen scheint (auch nicht der, nach der das Innere eines Raumes nicht größer sein darf als das Äußere…) Hier gibt es weder gerade Linien noch rechte Winkel. Alles ist organisch und sieht irgendwie wie ein großes getöpfertes Kindergartenprojekt aus. Dass dahinter ein ernstzunehmender Architekt und Künstler steht, wird vor allem bei der Inneneinrichtung deutlich: Alles was ging wurde aus Metall und vorzugsweise in Insekten- oder Reptilienform gebildet. Also auch Herdknöpfe, Lampen, Stühle und Fenstergitter. So ganz mein Ding war das zwar nicht (wer will schon in einem Haus leben, in dem einen beim Zubettgehen eine Fratze anstarrt und wo die Toilette nur durch einen geflochtenen Vorhang vom Gang davor getrennt ist), aber interessant war es durchaus.

El Fósil

6 km westlich von Villa de Leyva stehen (neben den obligatorischen Souvenirständen) einige Häuser, von denen man niemals annehmen würde, dass sich in einem davon einer der größten paläontologischen Funde der letzten Jahrzehnte befindet. 1977 nämlich entdeckte genau hier ein Bauer auf seinem Feld das nahezu vollständig erhaltene Skelett eines Kronosauriers. Kronosaurier waren Meeressaurier, die den Kopf eines Krokodils (wenn auch eines sehr großen) und die Flossen einer Schildkröte gehabt haben müssen. Dieses spezielle Exemplar ist nun 120 Millionen Jahre alt, war zum Zeitpunkt seines Todes noch nicht ganz ausgewachsen und wird heute liebevoll El Fósil genannt. Vermutlich ist er (oder sie?) zu nahe ans Ufer gekommen und dort dann verendet, ähnlich wie es heutzutage Walen passiert.

Dass das Skelett so gut erhalten ist, ist das Besondere und Bedeutsame an ihm, denn so konnten Paläontologen weitere Erkenntnisse gewinnen auch über andere Kronosaurierfunde aus Australien, die aber nicht annähernd so vollständig sind. Vom wissenschaftlichen Aspekt recht unberührt, haben uns vor allem die schiere Größe von El Fósil beeindruckt. Denn obwohl eine hintere Flosse und ein Stück des Schwanzes fehlen, ist es ein unfassbar großes Fossil mit 7 Meter Länge. Allein der Kopf misst 2,7 Meter – da will man damals kein Fisch gewesen sein.

Auch dass der Saurier heute noch dort liegt, wo man ihn gefunden hat, ist sicher keine Selbstverständlichkeit. Andere Fossilien dieser Größenordnung wären vermutlich sofort in irgendein großes Museum abtransportiert worden. Hier jedoch hat man einfach ein sehr schlichtes, einfaches Haus drum herum gebaut und da liegt er nun und begrüßt einen sofort nach dem Betreten des Museums. Ganz unspektakulär und ohne großes Brimborium. Eingefasst wird das alles von einigen weiteren, deutlich kleineren Fossilien und Fundstücken. Denn die Gegend hier ist so reich an Fossilien, dass man scheinbar gar nicht mehr weiß, wohin damit. (Zu Jans Leidwesen hat er bisher leider keins entdeckt.)

Den Geocache haben wir übrigens trotz zwischenzeitlichem Regenguss auch noch gefunden, wenn auch nach der für uns typischen sehr langen Suchzeit…

Ausflug zu Fuß

Waren wir gestern noch per Fahrrad unterwegs (was in der Höhe schon ein bisschen anstrengend ist), so wollten wir am Tag darauf die weitere Umgebung zu Fuß erkunden. Um ein Ziel vor Augen zu haben, suchten wir uns die Fundstelle von einigen antiken Felsmalereien aus, die sich 5 bis 6 km südlich von Villa de Leyva befinden sollen. Auf die spärliche Wegbeschreibung unseres Reiseführers vertrauend, machten wir uns bei bestem Sonnenschein auf den Weg. Dass wir dabei alle zehn Meter stehen bleiben mussten, um Landschaft, Blumen oder Menschen zu fotografieren, versteht sich von selbst. Wir sind nach wie vor überwältigt vom Anblick der Berge und davon, wie Licht und Schatten darauf spielen. Die Farben – von Rostrot bis hin zu saftigstem Grün – sind genau so, wie wir uns das ausgemalt haben. Und die Weite, die sich vor uns erstreckt, lässt uns immer wieder tief durchatmen.

Die Felsmalereien haben wir übrigens nicht gefunden. Vermutlich liegt der Zugang noch deutlich hinter unserer Wanderreichweite. (Normalerweise soll man dort mit dem Taxi o.ä. hinfahren…) Dafür haben wir auf einigen Umwegen so viel Schönes gesehen, dass wir das kaum bereuen können. Mindestens einer dieser Umwege war übrigens vermutlich illegal. Jedenfalls hatten wir zuvor ein geschlossenes Tor gekonnt ignoriert und waren stattdessen einem schmalen Trampelpfad gefolgt, aus dem Momente zuvor ein wendiges Moped geknattert kam. Wir hatten gehofft, dass es dort direkt zu dem Malereien geht. Stattdessen begegneten wir nur ein paar Ziegen.

¡Adiós, Villa de Leyva!

Viel zu schnell ist die Zeit in Villa de Leyva vorbei gegangen. Jan hat noch einmal ein fürstliches Mahl gezaubert, wozu wir kolumbianisches Bier genießen. (Gesponsert von unseren zeitweiligen französischen Mitbewohnern, die heute bereits weitergezogen sind. Die beiden, Charlotte und Hugo, haben übrigens sehr interessante Projekte ins Leben gerufen, die unter My Travel Motion firmieren. Wir werden die beiden definitiv verfolgen!)

Morgen geht es weiter Richtung Norden. Mit Zwischenstopps in Bucaramanga und Mompós soll es nach Cartagena gehen, wo bereits ehemalige Kollegen von Jan auf uns warten.

9 Comments

  1. Was für großartige Bilder. Da eignet sich jedes für einen Bildband oder Hochglanz- Kalender.
    Danke
    Euch noch eine schöne Zeit in Kolumbien
    Liebe Grüsse Heike

    Heike
    1. Hallo Heike,
      ganz lieben Dank! Bei so tollen Motiven kann man ja fast nicht anders, als gute Fotos zu schießen. ? Jan hat da aber auch richtig Spaß dran und kann sich richtig lange mit den Kameraeinstellungen beschäftigen. Ich bringe dafür weniger Geduld auf.
      Ich finde es jedenfalls toll, dass Du uns folgst und ein bisschen Spaß dabei hast. ?

  2. Das Dino Skelett ist ja toll!!! Das würde mich auch reizen. Aber Australien ist in der Hinsicht auch nicht der schlechteste Ort…

    Ihr macht ja ganz schön Tempo. Ihr wart doch sicher nur 3 Tage da, oder? Auf jeden Fall wünsche ich gute Weiterreise!

    1. Stimmt, das waren nur drei Tage. Allerdings haben wir ja auch nicht so ewig Zeit in Kolumbien. Momentan rechnen wir mit 4 Wochen, was sicher mehr ist als die meisten Reisenden haben. Dieses Land ist allerdings auch ziemlich groß und es gibt so viel zu sehen und zu entdecken! Noch haben wir immerhin die Energie dafür. ? Das Reisetief wird schon noch kommen.

  3. Richtig tolle Bilder. Mich selbst überfordern so große wuselige Städte auch schnell. Zumindest hatte ich das Problem in Istanbul.
    Deswegen kann ich eure Entscheidung voll verstehen. Und noch fühlt sich die Weltreise wahrscheinlich noch eher wie ein Urlaub an.
    Was hat der Jan denn gekocht? Was esst ihr allgemein nur Früchte? Habt ihr schon ein Gericht was ihr empfehlen könnt?
    Und was macht der Hund auf den Dach?!?

    Sabrina
    1. So viele Fragen! ?
      Wir haben für den Anfang vor allem Gemüse gemacht, teilweise mit Eiern. Was der Markt gerade hergab. Eier gibt es hier nämlich auch im Überfluss..
      Ansonsten genießen wir natürlich das Obst und essen für zwischendurch recht viel Brötchen und ähnliches. Brot mögen die Kolumbianer sehr gern, haben aber natürlich nur weißes Mehl. Das muss bald aufhören, sonst sehe ich auch demnächst aus wie ein großes weißes Brötchen.
      Essensempfehlungen habe ich noch keine (außer Obst natürlich ?), ich weiß nur, dass Hormiga definitiv nicht dazu gehört. Mehr dazu später…
      Ach, und der Hund hat sich vor allem wichtig gemacht, hatte aber zu viel Schiss, um sich Mann zu Mann btw. zu Frau zu stellen, der kleine Kläffer.

  4. Pingback: Koh Trong: Homestay mit Delfinen | Travel-Dvootes.de | Kambodscha

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