Von Moeraki bis Oamaru: Ein ereignisreicher Tag

Von Moeraki bis Oamaru: Ein ereignisreicher Tag

Der 20. Oktober sollte als „der längste Tag“ in unsere Neuseeland-Chroniken eingehen. Denn wir waren nicht nur sehr lange auf den Beinen, wir haben auch ganz viele tolle Dinge gesehen und erlebt!

Unser Wecker klingelte bereits um 04:00 früh, wir wollten nämlich rechtzeitig zum Sonnenaufgang an den Moeraki Boulders sein. Diese großen Steinkugeln liegen ganz in der Nähe des Dorfes Moeraki (daher der Name) und sehen aus, als wären Titanen beim Murmelspielen am Strand unterbrochen worden.

Den genauen Entstehungsprozess der Boulders konnten wir – wieder einmal – nicht hundertprozentig nachvollziehen. Was wir aber über dieses wirklich spektakuläre Phänomen in Erfahrung bringen (und verstehen) konnten ist folgendes: Die Boulders bildeten sich vor über 60 Millionen Jahren im Meeresschlamm. Den Kern bildeten Kalkkristalle, die nach und nach andere Mineralien an sich zogen und banden. Weil das Ganze durch Diffusion des Kalziums, also einen recht undynamischen Prozess, und nicht durch die Meeresströmung geschah, sind die meisten Moeraki Boulders heute fast perfekt kugelförmig.

Tektonik und damit verbundener Anhebung des Meeresgrundes sei Dank, ruhten (und ruhen) die Kugeln dann tief in den Schieferklippen. Während diese Klippen nun von Wind und Wellen nach und nach wieder ausgewaschen werden, treten die Boulders langsam hervor und fallen schließlich auf den Strand. Nicht wenige scheinen beim Aufprall zu zerbrechen. Aber viele haben den Sturz unbeschadet überstanden und liegen da nun, mehr oder weniger eingegraben in den Sand des Strandes.

Sonnenaufgang

Am Vorabend hatten wir uns einen Campingplatz in der Nähe der Moeraki-Boulders gesucht. Trotzdem trennte uns noch ein gut halbstündiger Strandspaziergang von diesen großen Steinkugeln. Daher die unchristliche Aufstehzeit. Angenehmer Nebeneffekt: Wir waren mit nicht einmal zehn anderen Hobbyfotografen quasi allein am Strand. Weniger angenehmer Nebeneffekt: Gegen den Sonnenaufgang fotografieren kann ganz schön schwierig sein, wenn man im Vordergrund noch etwas von den Kugeln erkennen soll. Zum Glück laden die Moeraki Boulders zu allerlei fotografischem Sinn und Unsinn ein. Wir haben uns also ordentlich ausgetobt, bevor es zurück zum Campingplatz ging.

Katiki Point

Auf diesem richtig typischen Kiwi-Campingplatz waren wir fast die einzigen Touristen. Um uns herum nur Neuseeländer mit Kind, Kegel und viel Campingausrüstung. Klar, heute war ja auch der erste Tag des langen Labour Day Wochenendes. (Weil die neuseeländische Regierung schlau ist, hat sie den hiesigen Tag der Arbeit einfach mal in den Oktober, und damit den Frühling, gesetzt. Da Neuseeländer gemeinhin nur 20 Urlaubstage bekommen, nutzt jeder, der in Besitz eines fahrbaren Untersatzes ist, die langen Wochenenden um raus ins Land zu fahren.)

Unweit dieses Campingplatzes gibt es nicht nur die Moeraki Boulders, sondern auch einen Ort namens Katiki Point. Hier soll es ebenfalls eine Kolonie Gelbaugenpinguine geben. Wie wir in der Curio Bay gelernt hatten, sind diese allerdings nur sehr früh morgens oder am frühen Abend zu sehen. Wir hatten also ihren Morgenauftritt schon verpasst.

Trotzdem machten wir den kleinen Abstecher. Denn am Katiki Point gibt es auch Pelzrobben und überhaupt ist der Ort ziemlich schön.

In der Steampunk-Hauptstadt Neuseelands

Nun aber auf zu unserem eigentlichen Tagesziel: Oamaru! Zwei Dinge machten diese Stadt zu einem Must-See auf unserer Reiseroute: Oamaru gilt als Steampunk-Hauptstadt Neuseelands und es leben hier viele kleine, blaue Pinguine.

Steampunk, das lässt sich am besten so beschreiben: Im viktorianischen Zeitalter ist etwas furchtbar schief gelaufen und die Jungs und Mädels haben Technologien entwickelt, die sie eigentlich nicht haben sollten. Dabei wird unglaublich viel Dampfkraft und viel, viel Fantasie gebraucht. Alles ist ein wenig abgedreht, ein wenig rostig, ziemlich stylish, unglaublich kreativ und macht ganz viel Spaß.

Oamarus Innenstadt wird dominiert von viktorianischen (und pseudo-viktorianischen) Gebäuden und bietet daher die perfekte Kulisse für allerlei Ausprägungen des Steampunks. Unser erster Spaziergang führte uns auch gleich mitten hinein.

Wir gingen über einen Steampunk-Spielplatz und entlang alter Gleise bis zum winzigen Bahnhof, von dem immer noch alte Züge abfahren, um Passagiere auf eine kleine Sightseeing-Runde mitzunehmen. Und natürlich schlenderten wir kreuz und quer durch das viktorianische Viertel, staunten über all die schönen und dekorativen Schilder, steckten unsere Nasen in schnuckelige, kleine Läden und waren dabei froh (bzw. tieftraurig), dass unsere Rucksäcke nur begrenztes Fassungsvermögen haben.

Steampunk HQ

Was aber scheinbar unbegrenzt vorhanden ist, ist unser Spieltrieb. Also hinein ins Steampunk HQ, das versprach, diesen für eine kurze Zeit zu stillen. („HQ“, das ist die Abkürzung für „headquarter“, also „Hauptquartier“.) Vor dem stilecht viktorianischen Gebäude wartet eine große, futuristische Dampflok auf Münzen, um dann zu dampfen und zu blinken. So die Theorie. Wir warfen kein Geld ein, sahen aber später, wie eine Gruppe ihr Glück versuchte. Das Ergebnis war … naja.

Ähnlich erging es uns im Inneren des Gebäudes. Die Mischung aus viktorianisch inspirierter Fantasy, Retro-Futuristik und ganz viel Bastelarbeit aus Schrott ist zwar amüsant und stellenweise richtig sehenswert. Aber vieles war schon ziemlich heruntergekommen oder funktionierte nicht mehr. So viel zu bespielen gab es also hier drinnen gar nicht.

Der Hof bot da schon etwas mehr. Zumindest konnten wir ganz hervorragend auf all den alten, zusammengeflickten und -gewürfelten, neu interpretierten Fahrzeugen herumklettern. Herz, was willst du mehr?!

Abenteuerliche Bücher

Anders als erwartet war unser Highlight bei unserem Rundgang jedoch ein Buchladen namens „Adventure Books“, also „Abenteuer-Bücher“. Wer sich erinnern mag: In Buenos Aires hatten wir den schönsten Buchladen betreten, in dem wir jemals waren. Nun, dieser hier in Oamaru hat das alte, argentinische Theater auf Rang zwei verdrängt.

Wie der Name des Ladens schon sagt, hat sich der Eigentümer, Bill, ganz den Büchern von und über Abenteurer, Erforscher und Pioniere gewidmet. Da gab es alte Bücher, die beinahe auseinanderfallen, aber davon erzählen, wie auf unserer Weltkarte langsam die weißen Flecken verschwanden. Es gab handsignierte Bücher und Unikate. Brandneue Bücher und solche, die wohl fast nirgends mehr zu finden sind. Unbekannte und Bestseller. Bildbände und wissenschaftliche Berichte. Unterteilt war das Ganze dann auch mehr nach Ländern und Gegenden, als nach Genre.

Inmitten des Ladens luden Ledersofas zum gemütlichen Schmökern ein und auch mit Bill selbst konnte man sich hervorragend unterhalten. Er hat alle sieben Kontinente bereist (und als Ingenieur fast überall gearbeitet) und zu unzähligen Abenteurern persönlichen Kontakt. Und von all seinen Reisen bringt er Bücher mit. Nachdem sein Wohnzimmer zu klein für diese Schätze wurde, hat er sie schließlich in diesen wunderbaren Laden ausgelagert, den wir beide nur sehr unwillig wieder verließen.

Hatte ich bereits das Schiff erwähnt, das Besucher gleich beim Betreten begrüßt? Und auch hierzu gibt es natürlich eine Geschichte…

Die seltensten Pinguine

So viel Abenteuer und Entdeckungsgeist im Kopf, wollten auch wir zumindest auf eine kleine Expedition gehen. Unweit von Oamaru gibt es eine Bucht, in der es ebenfalls Gelbaugenpinguine zu sehen geben soll. Der Bushy Beach wird dafür am Nachmittag abgesperrt und später am Abend ist der Zutritt gänzlich verboten.

An der Curio Bay hatten wir ja nicht lange warten müssen. Heute und hier, zur gleichen Zeit, aber halt an einem anderen Ort, meinten es die Pinguine nicht ganz so gut mit uns. Anderthalb Stunden harrten wir auf den Aussichtsterrassen aus und alles, was wir sahen, waren zwei unverschämte, britische Touristen, die sich über alle Absperrungen hinweggesetzt hatten und doch auf den Strand gelaufen kamen. Glücklicherweise wurden sie bald von einer Wärterin zurückgepfiffen, waren sich aber wohl auch jetzt keiner Schuld bewusst…

Wie gut, dass der erste (und für die meisten einzige) Pinguin am Abend sich erst ein wenig später zeigte. Kaum aus dem Wasser, watschelte er auch schon schnurstracks auf die Uferböschung zu und war bald verschwunden. Klar dass sich so ein sensibles Tier nicht länger als nötig im Freien aufhält. Könnte ja sein, dass noch ein paar dumme Menschen auf die Idee kommen, ein Selfie mit dem Pinguin machen zu wollen.

Irgendwann gaben wir das Warten auf noch einen Gelbaugeninguin dann auf und gingen langsam zurück. Mit der Wärterin wechselten wir noch ein paar Worte und erlangten so die Information, wo wir uns für unsere nächste Pinguinstation am späteren Abend strategisch günstig aufhalten sollten.

Und dann passierte etwas Magisches, von dem wir noch heute zehren: Kurz bevor wir das Tor verließen, tauchte direkt vor uns ein Pinguin auf. Keine zehn Meter trennten uns von diesem ziemlich imposanten Tier.

Ich war so verdattert, dass ich gar nicht wusste, was ich zuerst tun sollte. Am Ende entschied ich mich dafür, mich neben Jan hinter den Zaun zu ducken, damit wir den Pinguin nicht erschreckten. Da gerade die Brutsaison angefangen hatte, wäre das noch fataler als ohnehin schon. Denn Pinguine, die sich gestört fühlen, kehren meist nicht mehr zu ihren Nestern zurück und Eier bzw. Küken gehen ohne die elterliche Fürsorge ein.

So haben wir zwar keine Fotos von diesem Moment, aber in unseren Herzen und in unseren Köpfen ist er ganz tief eingegraben. Sicherlich einer der schönsten und erstaunlichsten Augenblicke unserer Zeit in Neuseeland.

Die kleinsten Pinguine

Schwimmende Zwergpinguine, die auf Englisch Blue Penguins oder passenderweise Fairy Penguins, also „Feenpinguine“ genannt werden, hatten wir schon im Doubtful Sound gesehen. Hier in Oamaru sollten das deutlich näher und zahlreicher möglich sein. Die Stadt rühmt sich nämlich einer der größten Zwergpinguinpopulationen. Ganz sicher sind es die erreichbarsten freilebenden Pinguine Neuseelands und wahrscheinlich auch die angepasstesten.

Nicht wenige nisten unter Gebäuden mitten in der Stadt und überqueren allabendlich Straßen, Hinterhöfe und Plätze. Sogar unter den Gemeinschaftsräumen auf unserem heutigen Campingplatz nistete ein Pärchen! Deren Nachwuchs lugte auch schon neugierig unter der Veranda hervor, als wir uns nach Einbruch der Dunkelheit auf den Weg zur Bootsrampe machten.

Uns wurde gesagt, dass diese possierlichen Tiere gelernt haben, sich eine Lücke im Verkehr zu suchen, bis sie auf die andere Straßenseite wackeln. Aber irgendwie überzeugte uns das nicht so. Richtig schnell läuft es sich auf solch kleinen Stummelbeinen nicht und ganz bestimmt nicht schneller als ein Auto. Immerhin kommt den Zwergpinguinen die späte Uhrzeit ihrer täglichen Heimkehr zugute: Vor 20:00 (Sommerzeit) braucht man nicht auf Pinguinpirsch zu gehen, nach 21:00 ist eigentlich besser. Trotzdem kommen jedes Jahr genug Zwergpinguine unter die Räder, trotz aufgestellter Warnschilder allüberall.

Kleine Pinguine ganz nah

Die oben erwähnte Bootsrampe ist der Ort, an dem sich all die Pinguinliebhaber versammeln, die keine Lust haben, horrendes Geld dafür zu zahlen, auf einer Tribüne zu hocken, unter der dann die Pinguine durchwandern. Zum einen fand unser Reisebudget das nicht lustig, zum anderen (und viel wichtiger) halten wir nichts von solchem Showlaufen.

Zusammen mit zwei bis drei Dutzend anderer Touristen warteten wir also an der Bootsrampe auf das Eintreffen der Zwergpinguine. Hier gibt es einen speziellen Pinguintunnel, der die Tiere auf die andere Seite der Straße und zu ihrer Kolonie bringen soll. Hier trafen wir auch die Wärterin vom Nachmittag wieder, die zusammen mit zwei jungen Helferinnen dafür sorgte, dass niemand über die Absperrung kletterte, Pinguine anfasste (ja, auf diese Gedanken kommen Menschen) oder mit seinem Blitzlicht ihr Augenlicht verletzte. Einen Sack Flöhe hüten schien einfacher zu sein.

Denn natürlich spielten nicht nur die Menschen nicht immer mit. Auch Pinguine haben halt ziemlich kleine Hirne. Die klugen Pinguine nutzten den für sie eingerichteten Tunnel. (Sehr kluge Pinguine nisten völlig woanders, aber lassen wir das…) Die dummen Pinguine aber gingen halt irgendwo an Land und watschelten munter drauflos. Wo da wohl die einzuordnen sind, die mitten in der Stadt ihr Domizil haben?

Nun, in jedem Fall kann jeder, der ein wenig Geduld (und ein geübtes Auge) mitbringt, in Oamaru seinen Pinguindurst stillen. Zur richtigen Uhrzeit grenzt es schon fast an ein Wunder, wenn man an der Hafenstraße keinen Pinguinen begegnet. Wir jedenfalls haben uns ordentlich satt gesehen.

4 Comments

  1. Das war ja ein Pinguinreicher Tag bei euch! Und Respekt, dass ihr für die Boulders so früh aufgestanden seid. Da wäre ich möglicherweise zu bequem gewesen. Andererseits…wenn man schon in der Nähe campt….

    1. Auch wenn wir in der Nähe gecampt haben, mussten wir dennoch verdammt früh aufstehen. Verdammt früh, hatte ich das bereits erwähnt? Gelohnt hat es sich aber in jedem Fall. Und die Pinguine am Abend, ja das war ein sehr besonderer Abschluss für den Tag.

      Jan
  2. Hahaha, ich fand ja die Bilder von den Kugelsteinen schon witzig, aber das Steampunk HQ inklusive Mini-Bücherschrank ist ja noch mal etwas wirklich ulkiges. Die Neuseeländer haben wirklich viel Humor scheint mir.
    Und wieder habt ihr insgesamt viel Glück mit der Tierwelt. Was für süße Pelzrobben und die “Feen”, wenn auch scheu, haben sich dann doch noch getraut.
    Der Buchladen hätte mir auch sehr gefallen.

    Kirsten55
    1. Stimmt, die Neuseeländer scheinen Skurriles irgendwie zu mögen. Da war ja auch noch dieser Gypsy Caravan im Süden, der uns so gefallen hatte. Und überall im Land finden wir immer mal wieder so liebevolle Dekorationen.
      Der Buchladen in Oamaru ist ja auch ein gutes Beispiel dafür, wie überhaupt die gesamte Stadt.

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