Die Great Ocean Road, Teil 1

Die Great Ocean Road, Teil 1

Eigentlich wussten wir zum Zeitpunkt unserer Reiseplanung nicht viel mehr, als dass wir von Melbourne aus langsam Richtung Westen müssten. Deshalb hatten wir unseren Campervan einfach mal bis Adelaide gebucht und dafür zwei Wochen veranschlagt. Das klang auf den ersten Blick wie eine vernünftige Zeitspanne, um diese nicht einmal 1.000 Kilometer zu erkunden. (Spoiler: Natürlich hätten wir am Ende gerne viel, viel mehr Zeit gehabt. Weil es nämlich noch viel, viel mehr zu sehen und zu erkunden gab, als wir in zwei Wochen auch nur annähernd geschafft hätten.)

Dass zwischen Melbourne und Adelaide auch noch die Great Ocean Road liegt, das hatten wir damals gar nicht so richtig mitgekriegt. Welch günstiger Umstand also! Denn auf einer der bekanntesten (und schönsten) Straßen der Welt fährt man natürlich gerne. Erst recht, wenn es sich geradezu aufdrängt.

Vom Anfang

Die Great Ocean Road führt aber nicht nur entlang einmalig schöner Landschaften. Sie hat auch selbst eine ganz interessante Geschichte. Nach Ende des ersten Weltkrieges kamen auch nach Australien die überlebenden Soldaten zurück, viele von ihnen physisch und psychisch schwer verletzt. Wie überall sonst auf der Welt stellte sich die Frage, was man mit all diesen traumatisierten Männern machen sollte.

In Australien haben sie unserer Meinung nach eine ziemlich clevere Antwort darauf gefunden. Statt den heimkehrenden Soldaten einen kleinen Obolus auszuzahlen und sie dann sich selbst, ihren Dämonen und dem Alkohol zu überlassen, entsann man sich eines alten Traumes. Den Bau einer Straße entlang der Südküste Australiens. Diese Straße sollte nicht nur all die vom Rest Australiens abgeschnittenen Siedlungen verbinden, sondern auch den Tourismus in dieser Region befördern.

Der Bau der Straße dauerte Jahre (allein die Erkundung des Terrains und die Planung nahmen über ein Jahr in Anspruch) und kostete seinerseits einige Menschenleben. Am Ende aber erfüllten sich beide Ziele: Die Great Ocean Road ist heute eine der populärsten Straßen der Welt und die Männer, die an ihrem Bau mitgewirkt hatten, gesundeten durch eine sinnvolle Beschäftigung und die mitunter schwere Arbeit im Freien an Körper und Geist. Beziehungsweise gesundeten sie so weit es ihre traumatischen Erlebnisse nur zulassen konnten.

Anfahrt

Nachdem wir das Yarra Valley verlassen hatten, trennten uns noch immer einige Kilometer vom Anfang der Great Ocean Road. Auf dem Weg nach Torquay hielten wir daher spontan an einem sogenannten Aboriginal Cultural Centre. Wir hatten bisher noch keinen Zugang zur Geschichte Australiens und der seiner Ureinwohner gefunden. Auch vermissten wir größere Bezugnahme in Museen oder an öffentlichen Plätzen. Aus Neuseeland waren wir da anderes gewohnt und nun erhofften wir uns ein wenig „Nachhilfeunterricht“.

Dieses Kulturzentrum jedoch sollte uns noch keine Starthilfe bezüglich der Aborigines geben. Es glich mehr einem Souvenirshop mit angeschlossenem Restaurant und Streichelzoo. Immerhin kamen wir hier fast auf Tuchfühlung mit ein paar Wallabys.

Torquay: Wo die Surfkultur geboren wurde

In Torquay beginnt die Great Ocean Road, wenn man von Osten nach Westen fährt. Der Ort gilt außerdem als Surfhauptstadt Australiens und als die Geburtsstätte der modernen Surfkultur. Das liegt zunächst einmal natürlich an gleich mehreren hervorragenden Surfstränden, die allen Fähigkeiten etwas zu bieten haben: Vom blutigen Anfänger bis hin zum Weltklasseprofi. Der Bells Beach etwa gehört seit Begründung des Profi-Surfens zum Weltcup, heute bekannt als Rip Curl Pro.

Apropos: Auch mindestens zwei der international führenden Marken für Surfequipment wurden hier in Torquay gegründet. Rip Curl und Quiksilver haben sogar den Sprung in den Mainstream geschafft.

Und natürlich diente Torquay als Kulisse für den Blockbuster „Point Break“, der 1991 die Surfgemeinde cool und gesellschaftsfähig machte. Danach war Surfen in aller Munde und die ganze Welt wollte Surfen lernen. Der namensgebende Point Break befindet sich übrigens am Bells Beach, wenn auch die entsprechenden Szenen gar nicht hier gedreht wurden.

Ab in die Wellen!

Klar, dass ich hier unbedingt wenigstens den Anfängerstrand ausprobieren wollte. Wir liehen uns also Surfbretter und Wetsuits und marschierten los zum Back Beach. Hier sollte es anfängerfreundliche Wellen und wenig Steine geben. Tatsächlich hatten wir anfangs etwas zu tun, mit den ungewohnt schmalen Softtop-Brettern klarzukommen, aber dann lief es zumindest bei mir richtig gut. (Was ungewöhnlich war, denn normalerweise bin ich die, die keine Welle erwischt, während Jan fast jede steht. Aber der hatte noch mit seiner schlechten Laune zu kämpfen und fand alles irgendwie doof.)

Wer gerade nicht surft oder Surfern zuschaut, der kann sich in Torquay auch über die Geschichte des Surfens und einige seiner großen Helden informieren. Im gut gemachten und sehr unterhaltsamen Australian Surf Museum lernten wir beispielsweise, dass die Bretter, die wir gerade noch unter den Füßen hatten, in dieser Form nur in Torquay hergestellt werden. Außerdem gab es in Endlosschleife viele Aufnahmen von wahrhaft epischen Wipeouts zu sehen. (Eine gute deutsche Übersetzung gibt es dafür nicht. Im Grunde wird damit alles zusammengefasst, was den Surfer von seinem Board reißt.) Gut, dass wir für heute schon genug gesurft hatten. Ich weiß nicht, ob wir danach noch einmal ins Wasser gegangen wären.

Die Otways

Genau genommen war all das natürlich nur Vorgeplänkel, denn die Great Ocean Road fängt ja erst in Torquay an. Wir machten uns also über Anglesea und Split Point (mit Leuchtturm) zunächst auf nach Lorne, dem nächsten größeren Städtchen. Neben dem, was fast alle Orte am östlichen Ende der Great Ocean Road zu bieten haben (Surfstrände und eine sehr entspannte Atmosphäre) ist Lorne auch das Tor zu den Otways.

Die Otways sind das Hinterland, das sich zwischen Lorne und Apollo Bay befindet und zu einem großen Teil als Nationalpark geschützt. Die Great Ocean Road ist berühmt für ihre spektakulären Aussichten auf die Küste von Australien, an der sie sich in weiten Teilen entlangschlängelt. Wir können nur bestätigen, dass sich die Fahrt allein dafür lohnen würde! Aber diese Straße kann noch einiges mehr. Im Hinterland nämlich verstecken sich einige Nationalparks und ganz viel Regenwald. Wer hätte gedacht, dass Australien so grün sein kann?!

In den Otways gibt es dann aber auch den letzten Regenwald, bevor es in den Westen Australiens geht. Hier rauschen, wie sich das für einen Regenwald gehört, einige bildschöne Wasserfälle zu Tal. Papageien und Sittiche erfüllen die Luft mit ihrem Gekrächze und überall stehen Farne. Ja, wir geben zu, dass wir manchmal an Neuseeland erinnert waren (minus die Papageien).

Gleichzeitig aber ist der australische Regenwald schon sehr eigen. Nicht zuletzt, weil es hier neben all den uns noch unbekannten Vögeln auch Tiere gibt, die es ganz schön in sich haben. Hier sahen wir nämlich auch unsere erste, vermutlich nicht ganz ungefährliche Schlange! Sie war braun (was kein gutes Zeichen ist, denn einige der giftigsten Schlangen Australiens sind „einfach nur“ braun) und hatte vor uns glücklicherweise ebenfalls Angst. Jedenfalls verzog sie sich umgehend ins Gebüsch.

Eine kleine, noch eigenere Stelle in den Otways hat dann allerdings weder mit Australien, noch mit Neuseeland etwas zu tun. Aus welchem Grund auch immer wurden hier nämlich Redwoods angebaut. Ja, genau, die kalifornischen Mammutbäume. Die sind hier natürlich noch nicht ganz so groß wie die uralten Bäume in den USA, aber doch beträchtlich höher, als sie es gemeinhin in europäischen Parks werden.

Wie Australier ihr Wochenende verbringen

In den Otways kamen wir auch das erste Mal mit der australischen Campingleidenschaft in Berührung. Wir hatten ja bereits festgestellt, dass es gar nicht so viele freie Campingplätze gibt. Zumindest an der Südküste ist das komplett verboten. So mussten wir ein ums andere Mal ins Innere des Landes ausweichen.

Pünktlich zum Wochenende wurde es auf diesen Campingplätzen ordentlich voll und am Samstagabend staunten wir nicht schlecht, als wir zu eigentlich gar nicht so später Stunde auf einen dieser wenigen freien Campingplätze kamen und fast alles voll war. Ich präzisiere: Es gab noch genau zwei Stellplätze für Campervans, während sich darum und dazwischen Dutzende Autos drängelten. Diese Autos wiederum gehörten zu drei großen Gruppen junger Australier, die überall ihre Zelte aufgeschlagen hatten. Der kleine Platz glich einer Zeltstadt.

Da Grillen zu den liebsten Freiluft-Beschäftigungen der Australier gehört, brannten bald überall große und kleine Feuer. Aber, und das erscheint aus europäischer Sicht nicht selbstverständlich, am nächsten Tag war alles aufgeräumt und sauber, die Toiletten nicht demoliert und nachts hatte es auch keine stundenlange Beschallung gegeben. Solche Campingnachbarn hat man doch gerne. Dann darf es auch mal etwas enger zugehen.

Aus der Sicht eines Flughörnchens

Wir machten noch etwas anders, ganz zauberhaftes in den Otways: Statt immer nur auf dem Waldboden zu wandern, liefen wir auch zwischen den Baumwipfeln. Das ist beim Otway Fly Treetop Walk möglich, dem längsten und höchsten seiner Art. Da wurden nämlich Pfade in über 30 Meter Höhe gespannt, die uns in die verschiedenen Level des Regenwalds brachten. Eine Aussichtsplattform befindet sich sogar in 47 Metern Höhe!

Für diese Wege muss man sich Zeit nehmen. Denn wer dort wie auf einer normalen Wanderung durchgeht, der nimmt wahrscheinlich keinen großen Unterschied zu eben so einer ebenerdigen Wanderung wahr. Für uns aber eröffneten sich plötzlich ganz neue Blickwinkel und Einblicke in solch einen Regenwald.

Erst, wenn man da oben steht, in den oberen Stockwerken des Waldes sozusagen, begreift man ein bisschen, wie eng das alles zusammenhängt. Erst, wenn man sieht, wie langsam so ein Blatt von ganz oben nach ganz unten trudelt, wenn man unter sich die Vögel fliegen sieht und darunter noch mal mehr Raum ist, dann fängt man an, die Komplexität und die Fragilität dieses Lebensraums zu erahnen.

Baumbewohnende Beutelsäuger

Zurück auf sicherem Boden und der Great Ocean Road ließ der nächste Halt nicht lange auf sich warten. Kennett River sieht erst einmal nach nichts Besonderem aus, denn die eigentliche Attraktion des Ortes versteckt sich ein paar Meter abseits. Hier kann man so gut wie an keinem anderen Ort entlang der Great Ocean Road Koalas erspähen. Auto abgestellt, Beine in die Hand genommen und auf geht’s!

Zum Glück hatten ein paar andere Touristen unseren ersten Koala erspäht. So ohne Übung ist es nämlich ganz schön schwierig, diese hoch oben zwischen den Blättern zu sehen. Wer hätte gedacht, dass diese so ungelenk erscheinenden Tiere so hoch klettern und sich auch noch in den dünnsten Ästen halten können!

Der zweite Koala unserer Australienreise machte es uns dann ein wenig einfacher. Die koalaförmige Silhouette war unschwer zu erkennen. Zumal dieses Exemplar es sich kurz darauf in einer der unteren Baumgabeln bequem zusammenrollte und prompt einschlief. Irgendwie müssen ja die täglichen 20 Stunden Schlaf zusammenkommen.

Noch mehr baumbewohnende Beutelsäuger

Apollo Bay ist die letzte größere Stadt vor dem Südzipfel der Great Ocean Road. Ganz bestimmt hat diese Stadt mehr zu bieten als nur den dazugehörigen Strand, aber irgendwie war uns (wieder) mehr nach eben diesem Strand als nach Kaffee und Kuchen oder Souvenirs.

Verlässt man Apollo Bay westwärts, dann verlässt auch die Great Ocean Road für einige Kilometer die Küste, schneidet den eben erwähnten Südzipfel ab. Den aber ganz außen vor zu lassen wäre schade.

Hier, am Cape Otway, befindet sich der älteste noch stehende Leuchtturm auf australischem Festland. Der ist leider nur gegen Bezahlung zugänglich und war bei unserem Eintreffen ohnehin bereits geschlossen. Da der Leuchtturm aber gar nicht der Hauptgrund für unseren Abstecher ans Kap war, hatte uns das nicht weiter gestört.

Spannender und schöner ist nämlich die Fahrt durch den dichten Wald. 12 Kilometer geht es vor allem durch Eukalyptusbäume, später auch durch seltsame Anordnungen von weißen, abgestorbenen Bäumen.

Ja, und wo Eukalyptus, da sind in dieser Region Koalas nicht weit! Tatsächlich gibt es hier eine ganz beträchtliche Anzahl. Aufgrund der wenigen Haltebuchten an der Straße sind die jedoch nur schwer auszumachen – man muss quasi aus dem fahrenden Auto heraus Ausschau halten. Uns ist das Kunststück aber gelungen und wir sahen viereinhalb Koalas! (Der halbe Koala ist das Baby, von dem man hinter der Mutter nur ein paar Pfoten sehen konnte.)

Am Kap selbst versuchten wir natürlich trotzdem, einen Blick auf den Leuchtturm zu erhaschen und wanderten ein bisschen die Küste entlang. Neben dem Turm in weiter Ferne überraschte uns dabei unsere zweite (braune) Schlange. Letztere erschrak sich noch ein bisschen mehr als es „unsere“ erste Schlange getan hatte und verzog sich nach einem 5-Zentimer-Luftsprung blitzschnell ins Gebüsch.

Und noch mehr…

Überhaupt nicht schrecklich war dagegen unsere letzte Tierbegegnung des Tages. Ganz im Gegenteil! Auf dem Campingplatz, auf dem wir uns ein Plätzchen reserviert hatten, hatte ich ein ungeahnt gutes Händchen bei der Wahl der Parzelle gezeigt, auf der wir unser Lager aufschlagen durften.

Anfangs ahnten wir noch gar nichts von unserem Glück. Aber als Jan bei der Zubereitung des Abendessens den Blick ein wenig schweifen ließ, fiel ihm im Eukalyptus direkt gegenüber unseres Campers etwas auf. Da saß doch tatsächlich eine Koalamutter mit ihrem nicht mehr ganz kleinen Jungtier im Baum!

Da macht das Kochen an der frischen Luft doch direkt einmal Spaß, wenn man dabei Koalas beobachten kann. Jan jedenfalls grinste den restlichen Abend einfach nur noch glücklich.

Die Fortsetzung unserer Great Ocean Road Story gibt es in Teil 2.

8 Comments

    1. Es fühlt sich zwar nicht so an, als könnten wir uns viel Zeit lassen, aber wir hatten auf jeden Fall mehr Zeit als die meisten, die die Great Ocean Road befahren.
      Und von den Koalas waren wir wirklich überrascht. Wir hätten nie gedacht, dass wir so viele sehen würden und das in so kurzer Zeit.

  1. Und da sind sie schon: Herrliche Landschaften, verrückte Barbiepuppen und wunderbare Tiere.
    Jetzt habt ihr doch bestimmt das Gefühl, wirklich in Australien angekommen zu sein, oder? Wallaby und Koala sei dank!

    Kirsten55
    1. Danke Dir!
      Bei solchen Bildern (und auch beim Live Anschauen) wünschte ich immer, ich könnte irgendwann auch so gut sein. Aber dafür müssten wir wohl direkt an den Strand hier ziehen und selbst dann wäre das mehr als fraglich. Ist schon eine Wucht, was die Jungs und Mädels da draußen zeigen.

  2. großartig eure tour auf der great ocean road! Maria,du auf dem surfbrett,
    das sieht wirklich schon professionel aus! Über diese Baumfarne kann man nur staunen.
    was für ein Erlebnis! Alles Gute für euch1 O.Karin

    Oma
    1. Ja, die Great Ocean Road ist wirklich schon etwas besonderes.
      Nur das Surfen hat sie uns noch nicht beigebracht. Zumindest nicht so, wie auf dem Foto. Der junge Mann, der darauf zu sehen ist, hat zwar ganz Surfer-typisch längere Haare, aber da hören die Gemeinsamkeiten dann auch schon auf.
      Ach, was wäre das herrlich, wenn wir irgendwann einmal auch so die Wellen reiten könnten…

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