Die Kauris von Waipoua

Die Kauris von Waipoua

Obwohl es schon dunkel war, wollten wir gestern nicht oben am Cape Reinga bleiben, sondern lieber zurück an den Tokerau Beach fahren. Dort hatte es uns einfach richtig gut gefallen (ich war sogar schon im Wasser gewesen und Jan hatte versprochen, am nächsten Tag mitzukommen). Außerdem wollten wir die Strecke Richtung Süden bis Auckland möglichst schnell hinter uns bringen. Richtig, ab jetzt geht es nach Süden!

Nach einem erneuten, eiskalten aber so, so guten Sprung ins Meereswasser starteten wir dann auch sehr früh. Unser Highlight heute sollten die Kauri-Wälder an der Westküste werden. Zunächst aber galt es, noch einige Kilometer und einen natürlichen Hafen hinter uns zu bringen.

Der Hokianga Harbour besteht aus mehreren schmalen Meeresarmen, die mangrovengesäumt ins Landesinnere streben. Von hier soll der polynesische Entdecker Kupe (einvernehmlich als der wahre Entdecker Neuseelands bezeichnet) zurück in seine Heimat Hawaiki gesegelt sein. James Cook hingegen entdeckte zwar die vorgelagerten Landmassen, übersah aber, dass sich dahinter ein Hafen befand. So dauerte es noch fast 50 Jahre, bis dann auch die Europäer diesen Landstrich entdeckten.

Wir selbst konnten hier leider keinen längeren Stopp einlegen, auch wenn wir zu gerne durch die Magrovenwälder gewandert wären. Wir nahmen die Autofähre über den Hafen und gönnten uns noch eine kurze Rast an seinem Ufer. Den Rest mussten wir aufs nächste Mal verschieben.

Opo, der verrückte Delfin

Das Schöne an einem Roadtrip sind die spontanen Entscheidungen, die man treffen kann. Wir können jederzeit irgendwo anhalten, wenn es uns dort gefällt oder wir lesen, dass es dort etwas Interessantes gibt. Und das muss ja gar nicht lang sein.

In Opononi beispielsweise gibt es eigentlich nicht viel zu sehen, mit Ausnahme eines schönen Blicks auf den Hokianga Harbour. Im Sommer 1955/56 aber kam der kleine Ort zu kurzer Berühmtheit, als ein wilder Delfin den Strand aufsuchte und anfing, mit den Menschen im Wasser zu spielen. Bald schon kamen Menschen aus allen Himmelsrichtungen hierher, um Opo zu sehen, ihn anzufassen oder ihre Kinder auf ihm reiten zu lassen. (Ja, ich weiß… Der Delfin ist allerdings aus irgendeinem Grund immer wieder hierher zurückgekommen.)

In unserem Reiseführer stand, dass es im örtlichen Informationszentrum einen Film über den damaligen Rummel zu sehen geben sollte. Wir beschlossen also kurzerhand, uns den einmal zeigen zu lassen. Warum ich das überhaupt erzähle? Weil das, was nun folgte, ein wunderbares Beispiel für die Freundlichkeit, Offenheit und Hilfsbereitschaft der Neuseeländer ist.

Der Film läuft dort nämlich eigentlich gar nicht, sondern nur im Museum, welches heute aber geschlossen war. Die ältere Dame im Informationszentrum zeigte uns aber auf unsere Frage den kleinen Ausschnitt, den sie auf ihrem Bildschirm davon abrufen konnte. Sie erzählte uns von dem ganzen Zirkus um Opo. Dann fragte sie uns, wo unsere Reise als nächstes hingehe. (Alle Neuseeländer sind immer daran interessiert, und zwar ehrlich interessiert, wie lange wir hier bleiben, was wir bereits gesehen haben und geben uns dann Tipps, was wir uns unbedingt noch anschauen müssen.)

Auf die Kauri-Wälder angesprochen erzählte sie uns von den lokalen Bemühungen, diese Bäume zu schützen und vor einer Ansteckung mit kauri dieback zu bewahren. Sie selbst sei gestern erst bei einer Versammlung zu dem Thema gewesen. Und auch wenn es noch kein Heilmittel gäbe und man der Schweine und anderer Tiere nicht Herr werde, die das infizierte Erdreich von Baum zu Baum schleppen, so sei sie doch etwas beruhigt gewesen, als sie erfuhr, dass Setzlinge der Kauris in Gegenden umgesiedelt werden, die noch nicht von der Krankheit befallen sind. So sei zumindest für die nähere Zukunft der Fortbestand der Art gesichert.

Mit einigen weiteren guten Ratschlägen und Informationen entließ sie uns wieder auf unseren Roadtrip. So läuft das nun einmal in Neuseeland: Man kommt irgendwohin und wird unvermittelt in ein richtig nettes Gespräch verwickelt, aus dem man sogar noch etwas Interessantes mitnimmt.

Der Gott des Waldes

Noch weiter südlich vom Hokianga Harbour windet sich der State Highway 12 durch uralte Kauri-Wälder. Beiderseits der Straße tauchen immer wieder diese riesigen Bäume im Wald auf und an einer Stelle bilden zwei von ihnen ein regelrechtes Tor. Die hügelige Straße windet sich durch den Waipoua Forest und gehört sicherlich zu unseren bisher schönsten Strecken.

Doch hier darf man nicht nur an den Kauri-Bäumen vorbeifahren. Man kommt auch zu Fuß ganz nah an einige der bedeutendsten Exemplare heran. Da das aufgrund der auch hier grassierenden Kauri-Krankheit nicht selbstverständlich ist, freuten wir uns umso mehr, dass alle Wanderwege bis auf einen noch geöffnet waren.

Der erste von ihnen führt nach der obligatorischen Desinfektionsstation nur wenige Meter in den Wald hinein. Die Krone des größten Kauri-Baums Neuseelands konnte man bereits von der Straße sehen. Aber das bereitete mich nicht darauf vor, direkt vor Tane Mahuta, dem „Gott des Waldes“ zu stehen.

Sein Stamm hat einen Durchmesser von fast viereinhalb Metern. Insgesamt ist er über 51 Meter hoch. Er ist wahrscheinlich über 2.000 Jahre alt. In seinen Ästen leben verschiedenste Aufsitzerpflanzen und Tiere. Und er strahlt eine Präsenz, eine Würde und Ruhe aus, die mich tief berührt hat. Es fällt schwer, dieses Erlebnis in Worte zu fassen, ohne kitschig zu klingen. Vielleicht können Euch unsere Bilder einen ganz kleinen Eindruck davon vermitteln.

Der Vater des Waldes und die vier Schwestern

Nicht weit von Tane Mahuta gibt es weitere kurze Wanderwege. Der erste von ihnen führt zu den Four Sisters, den vier Schwestern. Dies sind vier lange, schlanke Kauri-Bäume, die sehr eng bei einander stehen. Beinahe mag man glauben, die tiefe Verbundenheit der Vier zu spüren oder zu hören, wie sie sich Geheimnisse und Neckereien zuflüstern.

Einige Minuten weiter trafen wir dann auf Te Matua Ngahere, den „Vater des Waldes“. Wenn man auf ihn zukommt, dann hat man buchstäblich das Gefühl, vor einer Wand aus Holz zu stehen, so breit ist er. Er ist „nur“ knapp 30 Meter hoch, aber sein Stamm ist über fünf Meter breit. Damit ist Te Matua Ngahere der zweitgrößte Kauri.

Alle drei Bäume beziehungsweise Baumgruppen haben uns tief bewegt und gerne wären wir auch noch den vierten Weg zur Cathedral Grove gegangen. Leider war dieser Weg aber noch gesperrt. Er muss erst noch so umgebaut werden, dass auch hier die Besucher nicht direkt auf dem Waldboden gehen sondern auf Holzwegen ein ganzes Stück darüber. So soll zum einen die Verbreitung des kauri diebacks verhindert werden, zum anderen werden die empfindlichen Wurzeln der Kauris vor zu starker Belastung geschützt.

Tatsächlich sahen wir im gesamten Wald viele kranke und tote Kauris. Auch direkt neben Tane Mahuta stand ein solcher befallener Baum. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Ausbreitung der Krankheit effektiv gebremst werden kann, bis es eine Behandlungsmethode gibt.

4 Comments

  1. Wie beeindruckend diese Bäume sind. Fünf Meter Durchmesser, unvorstellbar. Sehr schön, dass es Setzlinge gibt, die umgesetzt werden, aber diese sehr alten Bäume, um die wäre es unglaublich schade. Ich war sehr froh, als ich hier durch euch las, dass Wege gebaut wurden, die Touristen vom direkten Kontakt mit dem Waldboden fern halten, das scheint mir eine sehr gute Methode zu sein, um die weitere Ausbreitung der Krankheit zumindest durch Menschen zu vermeiden. Ich hoffe sehr, man findet eine Möglichkeit, die befallenen Bäume zu heilen, oder die gesunden zu “impfen” (gibt es das überhaupt bei Bäumen?).

    Kirsten55
    1. Offenbar arbeitet man mit Hochdruck an der Bekämpfung der Krankheit, aber ob das Erfolg haben wird? Wenn man bedenkt, dass Menschen den Großteil dieser Bäume auf dem Gewissen haben, ist es nur recht und billig, wenn jetzt Schadensminimierung betrieben wird.

    1. Wir sehen immer wieder gesperrte Wanderwege, aber viele sind glücklicherweise noch offen und durch diese Desinfektionsstellen geschützt. Das wurde hier dann kombiniert mit den Hochwegen, damit man nicht auf dem Erdboden laufen muss. Für den Pfad, den wir hier nicht gehen konnten, ist sowas auch geplant.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert