Rotorua: eine heiße Angelegenheit

Rotorua: eine heiße Angelegenheit

Mitten durch die Nordinsel Neuseelands zieht sich eines der geothermisch aktivsten und zugänglichsten Gebiete der Welt. Die vulkanische Vergangenheit und die prekäre Lage Neuseelands mitten auf der Grenze zweier tektonischer Platten zeigen sich im ganzen Land. (Während die Nordinsel und Teile der Südinsel auf der australischen Platte liegen, befindet sich der Rest des Landes auf der pazifischen Platte. Als wäre das noch nicht genug, schiebt sich im Norden die pazifische Platte unter die pazifische und im Süden ist es genau anders herum. Ganze 400 Erdbeben pro Jahr sind die Folge, wenn auch drei Viertel davon nicht spürbar sind.)

Nicht von ungefähr konnten wir neulich in einem selbstgegrabenen Heißwasserpool liegen. Doch nirgends ist dies eindrücklicher als im Zentrum der Nordinsel, rund um Rotorua. Schon bei der Anfahrt fielen uns allenthalben dampfende Säulen auf und in Rotorua selbst gibt es kein Flüsschen, das nicht heiße Dämpfe in die kühle Luft schicken würde.

So wundert es kaum, dass es in dieser Gegend wahrscheinlich die faulsten Vögel der Welt gibt. Die überlassen das Ausbrüten ihrer Eier nämlich einfach der Erdwärme, indem sie beispielsweise in alten Kratern oder einfach auf dem Erdboden nisten, wo es schön kuschelig ist.

Dampfgaren ganz natürlich

Wir hatten uns auf gemeinschaftliche Empfehlung von Maja, Dana und Jans Eltern in einem Campingpark einquartiert, der dieses Potential voll ausnutzt. Auch wenn es insgesamt sehr klein war, konnten wir nach unserem Mittelerdeabenteuer hier in einem natürlichen heißen Mineralbad entspannen, während draußen unser Abendessen im Hangi garte.

Hangi, das sind Freiluft-Koch- bzw. Garstellen, bei denen das zuzubereitende Gut (wahlweise Fisch, Fleisch und/oder Gemüse) in einen Topf oder eine Schale gegeben, zugedeckt und in eine heiße Spalte gesetzt wird. Der heiße Wasserdampf, der aus der Erde austritt, gart das alles langsam und schonend. Hier in dieser Gegend ist das eine traditionelle Zubereitungsart, die nicht nur als Touristenattraktion gepflegt wird, sondern immer noch Bestandteil des Alltagslebens der Leute ist.

Wir hatten unseren Hangi mit Fleisch und Gemüse, sowie Kräutern aus dem Campingplatz-Kräutergarten gefüllt und waren sehr gespannt, was daraus nach anderthalb Stunden geworden war. Unser erster Versuch hat uns zugegebenermaßen noch nicht so überzeugt. Vielleicht war das Fleisch doch eher für den Grill als für den Hangi geeignet und das Gemüse war ein wenig zu gar. Trotzdem war es ein witziges Erlebnis und satt sind wir auf jeden Fall geworden.

Whakarewarewa

Der kommende Tag sollte dann ganz der Erkundung der geothermischen Phänomene der Umgebung dienen. Zu unserem Leidwesen kamen wir hier das erste Mal nicht drum herum, für Natur Eintritt zahlen zu müssen. Gelohnt hat es sich aber allemal!

Zunächst fuhren wir zum Maori-Dorf Whakarewarewa. Dieses Dorf wird auch heute noch ganz normal bewohnt, auch wenn die Einwohner sicher zu einem großen Teil von den Einnahmen durch den Tourismus leben. Das Besondere an diesem Ort ist die nur dünne Schicht zwischen Oberfläche und geothermisch höchst volatilen Phänomenen. Die Bewohner haben sich dies zu Nutze gemacht, indem es offene Wasch-, Bade- und Kochbecken, sowie die eben beschriebenen Hangis gibt. Beispielsweise existierte früher ein Pool, in dem ausschließlich Babywindeln gewaschen und sterilisiert wurden.

Die Lage des Dorfes hat aber nicht nur Vorteile. Das gesamte Dorf wandert langsam den Hügel hinauf, da der Boden im Tal zunehmend instabiler wird und die Häuser dort nicht mehr sicher sind. Auch können im örtlichen Friedhof keine Gräber in die Erde gegraben werden, wie es die frühen europäischen Missionare noch verlangt hatten. Die Toten blieben so nicht lange begraben, sondern wurden mit dem heißen Schlamm langsam wieder nach oben getragen. Also baut man jetzt überirdische Gräber, die allerdings auch nicht immer ganz gefeit sind vor den Gewalten des Erdbodens. Hier ist halt alles ständig in Bewegung und nichts ist so richtig sicher.

Zum Besuch des Dorfes gehört neben einer informativen Führung auch eine Cultural Performance. So etwas kannten wir ja bereits aus Waitangi und ehrlich gesagt hat sie mir dort auch besser gefallen. Ich fand sie alles in allem etwas festlicher, wobei auch die Vorführung in Whakarewarewa ihren Reiz hat. Hier merkte man irgendwie noch mehr, dass diese Tänze und Gesänge auch heute noch zum Leben der Menschen gehören.

Geysire und Schlammlöcher

Für die Maori sind Geysire Geschenke von Mutter Erde. Man kann sich also vorstellen, wie enorm wichtig es für die Einwohner hier ist, dass sich hier gleich zwei Geysire befinden. Einer davon, der Pohutu, kann bis zu 30 Meter hoch sein und gilt als der spektakulärste Geysir Neuseelands, sowie als der zuverlässigste Geysir der Welt. Alle 45 bis 60 Minute speit er eine heiße Fontäne in den Himmel, was ihm auch seinen Namen (übersetzt etwa „großer Spritzer“) verliehen hat. Direkt neben Pohutu gibt es noch den deutlich aktiveren, aber „nur“ bis zu 7 Meter hohen Prince of Wales‘ Feathers.

Immerhin 20 Minuten mussten Jan und ich warten, aber dann schoss der Pohutu umso eindrucksvoller in die Höhe! Da es niemand sonst so lange ausgehalten hatte, hatten wir den Anblick sogar ganz für uns allein.

Anschließend begaben wir uns noch auf einen einstündigen Rundweg durch das Hinterland von Whakarewarewa. Hier führte uns ein schöner Wanderweg vorbei an vielen dampfenden Löchern, einem sehr, sehr grünen See (wieder zurückzuführen auf die in ihm gelösten Mineralien) und einigen ziemlich witzigen, weil leicht obszönen Schlammlöchern, die ebenfalls munter vor sich hin blubberten. In diesen Schlammlöchern wurden übrigens vor Ankunft der Europäer die Toten des Dorfes bestattet. Da gab es auch das Problem mit den wieder auftauchenden Leichen nicht. Ein bisschen gruselig ist es ja schon, sich vorzustellen, wie viele Leichen hier im Schlamm liegen müssen.

Thermisches Wunderland

Nachdem uns dieser Rundgang so gut gefallen hat, wollten wir mehr Geothermik erleben und fuhren nach Wai-O-Tapu. (Außerdem hatte uns Jans Mama gesagt, dass wir das auf keinen Fall verpassen durften!) Wai-O-Tapu nennt sich auch „thermal wonderland“ wegen all der bunten Seen und Höhlen und Löcher, die man hier sehen kann.

der sogenannte Rainbow Mountain auf dem Weg von Whakarewarewa nach Wai-O-TapuAuf dem Weg dorthin kamen wir an einem Wegweiser zum „Rainbow Mountain“ vorbei. Rainbow Mountain? Das kannten wir doch schon von woanders! Da mussten wir natürlich einmal kurz abbiegen, um uns die Sache genauer anzuschauen. Um es kurz zu machen: Die Regenbogenberge in Peru sind um einiges beeindruckender. Dieser hier ist zwar an manchen Stellen etwas farbig, aber so richtiges Regenbogengefühl will da einfach nicht aufkommen.

Wir waren nun schon etwas spät dran und mussten uns daher ganz schön sputen, um all diese Wunder zu sehen, bevor der Park schloss. Glücklicherweise war der Herr, der die letzten Besucher einsammeln soll, sehr geduldig und ließ uns auf dem Rückweg genug Zeit, um uns noch alles anschauen zu können.

Einmal in den Farbtopf gegriffen

Es ist schon faszinierend, auf wie engem Raum sich hier Krater, Schlammlöcher und farbige Seen tummeln. Und überall dampft und qualmt es! Da gibt es beispielsweise die „Tintenfässer des Teufels“, fast schwarze Schlammlöcher, in denen Graphit und Rohöl vorkommen.

Der „Champagner Pool“ ist die größte heiße Quelle der Gegend und überwältigt einen fast mit seinen Dämpfen (die genau wie alles andere hier nach faulen Eiern riechen). Wenn der Wind den Dampf mal ein bisschen zur Seite gepustet hat, dann kann man am Rand die namensgebenden CO2-Bläschen im Wasser aufsteigen sehen. Der See „perlt“ sozusagen.

Aufgrund geothermischer und vulkanischer Aktivitäten ist dieser See heute nicht mehr ganz so gerade wie in seinen Ursprungstagen vor 700 Jahren. Daher profitieren einige andere Seen von dem, was aus dem „Champagner Pool“ so abfließt. Der See, der als „Palette des Künstlers“ bezeichnet wird, speist sich aus dem, was vom „Champagner Pool“ kommt und hat an verschiedenen Stellen Ablagerungen unterschiedlichster Mineralien, darunter neben dem allgegenwärtigen Schwefel (fürs Gelb zuständig) auch Antimon und Arsen (Orange), Kohlenstoff (Grau), Alkali-Chlorid (Blau) und Schwefelsäure (trübes Gelb-Grün).

Daneben gibt es noch eine riesige Menge an farbigen und/oder tiefen Kratern, wo unterirdische Höhlen zusammengebrochen sind und die so bildhafte Namen tragen wie „Zuhause des Teufels“, „Donnerkrater“ oder „Inferno Krater“. Warum nennt eigentlich niemand so etwas mal „Einhorn-Höhle“ oder „Feenstaub-Krater“? Wäre doch viel netter…

Ganz im Einklang mit der bisherigen Namensfindung steht der letzte Pool bzw. Krater auf dem Rundweg: Er nennt sich das „Bad des Teufels“ und ist gefüllt mit giftgrünem Wasser. Ein eindrucksvoller Abschluss unserer Tour durch dieses Wunderland!

Blaues Wasser und roter Himmel

Auf dem Weg zu unserem nächsten Rastplatz, direkt am Lake Taupo, dem größten Binnengewässer Neuseelands, sahen wir weitere Belege für die geothermische Aktivität dieser Region. Neben einigen weiteren touristischen Geothermalparks werden hier sogar tropische Garnelen gezüchtet! Sinnvoller scheint da die Nutzung der Erdwärme durch das riesige Thermalkraftwerk.

Für all das blieb heute aber keine Zeit (und auch wenig Energie). Wir gönnten uns nur einen kurzen Stopp an einem Wasserfall, den Huka Falls. Wir hatten in unserer Camper-App gelesen, dass sich der Abstecher lohnen sollte. Und wie er das tat! Stahlblaues Wasser rauscht hier über einen breiten, wenn auch nicht sehr tiefen Wasserfall und wirft dabei allerlei Gischt auf. Einfach toll!

Dem heutigen Farbspektakel setzte dann die Sonne die Krone auf, die sich just in dem Moment hinter den Horizont verkrümelte, als wir auf den Lake Taupo zu fuhren.

4 Comments

    1. Joah, das kann man wohl sagen. Sie müssen jetzt halt regelmäßig Risse reparieren oder die Toten sogar umbetten. Das war vor den Missionaren irgendwie einfacher…

      Wusste übrigens gar nicht, dass so ein Dorf auch “zu” sein kann.

  1. Was für eine beeindruckende Umgebung. Das Dorf gefällt mir sehr gut, die Häuser sind einfach reizend, aber ich frage mich, wie es gelingt, das Holz der Häuser nicht von heißen Dämpfen aufquellen zu lassen. Das stelle ich mir einigermaßen schwierig vor.
    Euer dampfgegartes Essen sieht auf jeden Fall auf dem Foto sehr lecker aus.

    Kirsten55
    1. Tja, daran hatten wir noch nicht gedacht, aber irgendwie scheint es ihnen ja seit Generationen zu gelingen. Und ich vermute mal, sie machen da auch keinen großen Aufwand. Vielleicht ist es insgesamt zugig genug.

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